Alternative History (oder Alternative Geschichte oder Alternativweltgeschichte) beschreibt ausgehend von einer „Was wäre wenn“-Frage einen alternativen Verlauf der Geschichte. Sie führt damit zu einem tiefgreifenderen Verständnis der Vergangenheit.
- Was wäre gewesen, wenn?
- Ankerpunkte für Alternative History
- Vorstellungskraft für Alternative History
- Relevanz von Alternative History
- Alternative History im Ankerpunkte Blog
- Struktur des Ankerpunkte Blogs
Quellen und Literatur
1. Was wäre gewesen, wenn?
Die Frage, was sich verändert, wenn ein Ereignis in der Vergangenheit anders verläuft, beschäftigt die Menschen seit Jahrhunderten.
Der Reiz solcher „Was wäre, wenn“-Fragen erklärt sich meiner Meinung nach einfach: Jeder hat sich diese schon für das eigene Leben gestellt.
Klassische Beispiele sind:
- Was wäre gewesen, wenn ich mich in einer Situation anders entschieden hätte?
- Was wäre gewesen, wenn ich Personen nie oder bei einer anderen Gelegenheit getroffen hätte?
Daneben gibt es häufig die Frage, wie sich jemand persönlich zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus (siehe Bild) verhalten hätte.
Solche Gedankenexperimente gehören zur Analyse von Erfolgen und Misserfolgen im Leben eines jeden Menschen.
Eine solches Einorden kann helfen, die eigene Situation realistischer einzuschätzen. Denn sie ermöglicht tiefergehende Erkenntnisse zum Bewältigen der Vergangenheit und eröffnet neue Möglichkeiten.
Sie kann aber auch zu einer verzerrten Rückschau und einer falschen Interpretation der Vergangenheit führen.
Meiner Meinung nach verhält es sich mit der Alternative History ähnlich.
Denn die Geschichte bewegte sich nie linear auf einen Zielpunkt hin, sondern war immer offen für verschiedene Möglichkeiten.
Schön formulierte es der Paläoanthropologe Chris Stringer:
„Der Grund, weshalb sich aus unseren Vorfahren die anatomisch modernen Menschen entwickelt haben, ist doch nicht das Resultat eines geplanten oder direkten Prozesses, sondern es ist das Ergebnis vieler Zufälle. Und alles zusammen hat uns zu etwas gemacht, was man sich am Beginn dieses Prozesses niemals hätte vorstellen können.“
Chris Stringer
2. Ankerpunkte für Alternative History
Ausgangspunkt für eine Alternative History ist ein Ereignis oder eine Entscheidung in der Vergangenheit.
Ausgehend davon erforscht der Autor – oder die Autorin – eine veränderte Vergangenheit und deren Folgen.
Wissenschaft und Literatur nennen diese Ereignisse und Entscheidungen Wende- oder Diversionspunkte.
Hier im Blog nenne ich sie Ankerpunkte.
Denn sie bilden den Ankerplatz, von dem aus Szenarien wie Schiffe in das unbekannte Gewässer einer alternativen Vergangenheit segeln (siehe Bild).
Ein Beispiel für einen solchen Ankerpunkt ist das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. In einer möglichen Alternative History überlebt Hitler nicht leicht verletzt, sondern er stirbt an den Folgen des Bombenanschlags.
Die Frage wäre nun: Wie hätte sich ein früherer Tod Hitlers auf den Zweiten Weltkrieg ausgewirkt?
3. Vorstellungskraft bei Alternative History
Der Vorstellungskraft sind bei solchen Szenarien zuerst keine Grenzen gesetzt.
Nach meiner Erfahrung gibt es immer die Möglichkeit zu einer „besseren“ oder „schlechteren“ Entwicklung im Vergleich zur Realität.
So ist es theoretisch zwischen 1933 und 1945 denkbar, dass die Nationalsozialisten nicht einmal an die Macht kommen. Oder dass sie 1945 den Zweiten Weltkrieg siegreich beenden oder vergleichsweise unbeschadet überstehen.
Aus meiner Sicht ist Alternative History damit ein Teil des Erforschens der Vergangenheit.
Denn sie kann folgende Fragen kreativ beantworten:
- Wo liegen Wende- oder Diversionspunkte?
- Welche Ereignisse leiten sie ein?
- Welche Entwicklungen ergeben sich aus diesen Änderungen?
- Was für Spielräume haben Akteure in diesen Szenarien?
Zum Beispiel könnten sich Schüler im Unterricht vorstellen, welche Folgen ein anderer Zweiter Weltkrieg auf ihr Leben hätte.
4. Relevanz von Alternative History
Auch für die Wissenschaft gewinnt Alternative History eine große Relevanz.
Denn sie hilft, unser Wissen über die Vergangenheit zu vervollständigen.
- Sie zeigt durch Szenarien, wie Entwicklungen in der Vergangenheit zusammenhingen.
- Mit diesen Szenarien entdecken wir vergessene Teile der Geschichte wieder, die bisher zu Unrecht als irrelevant galten.
- Unser Verständnis für die Entscheidungen der Vergangenheit verbessert sich, da wir die damaligen Alternativen erfahren.
Damit zeigt uns diese Methodik, dass die Geschichte nie alternativlos-erfolgreich oder alternativlos-negativ verlief.
Vielmehr beweist sie, dass es nie einen Hauptweg in unsere Gegenwart gab, der sich klar von Irrwegen absetzte. So war für die Menschen der Vergangenheit die Zukunft ein unbekanntes Land (siehe Bild), in das sie sich vorantasteten.
Wenn wir also fürchten, dass die Zukunft unklar und unsicher ist, ist dies keine Katastrophe. Es ist der historische Normalfall.
So macht uns Alternative History die Freiheit bewusst, die Menschen bei Entscheidungen haben. Um (gute) Entscheidungen zu treffen, ist das Bewusstsein für unterschiedliche Möglichkeiten sogar Grundvoraussetzung.
Wenn aber die Vergangenheit nie alternativlos war, sind es Gegenwart und Zukunft ebenfalls nicht.
Damit gewinnt das Thema aus meiner Sicht eine politische Dimension.
Zum Beispiel täte es der heutigen Gesellschaft, nicht nur der Politik, gut, wieder in mehreren Alternativen zu denken.
Damit ist die Alternative History selbst aber nie von politischem Denken.
Das krasseste Beispiel ist die britische Alternative History Literatur.
Deren Autoren schreiben gerne Geschichten, in denen Katholizismus, Sozialismus oder Nazis Großbritannien bedrohen oder unterwerfen.
Ungeschminkt tritt dabei eine latente Feindseligkeit gegenüber Kontinentaleuropa und dessen Politik zutage.
5. Alternative History im Ankerpunkte Blog
Ins reine Fantasieren und Politisieren soll der Ankerpunkte Blog aber nicht abdriften.
Ich möchte hier das Thema wissenschaftlich fundiert aufbereiten.
Gleichzeitig will ich (siehe Bild) zeigen, dass Alternative History auch jenseits der üblichen Szenarien, wie der unvermeidlichen Nazis, stattfinden kann.
Denn für Alternative History gilt aus meiner Sicht ein alter Grundsatz der Geschichtswissenschaft noch stärker:
Wer die Vergangenheit erforscht, beschreibt und analysiert, zeigt auch viel über die eigene Gegenwart.
So sagt ein Ankerpunkt aus, wo der Autor selbst die treibenden Kräfte der realen Geschichte vermutet und wie die Diskussion dazu zu seiner Zeit lief.
6. Struktur des Ankerpunkte Blogs
Mit dem Ankerpunkte Blog möchte ich Alternative History daher fundiert verankern.
Am Ende soll der Blog nicht weniger als DIE Informationsquelle im deutschsprachigen Raum zu diesem Thema sein.
Da es sich um ein breites Feld handelt, gibt es weitere Seiten für die einzelnen Aspekte.
- Was nutzt Alternative History Historikern?
Hier beschreibe ich, wie die wissenschaftlich umstrittene Methode die Forschung voranbringen kann.
- Was ist das Ankerpunkte Alternative History Canvas?
Ich habe eine Methode entwickelt für alle, die wissenschaftlich fundiert über Alternative History spekulieren wollen. - Welche Form von Alternative History Literatur gibt es?
Die Entwicklung von Romanen und Filmen stelle ich auf dieser Seite vor.
- Wie gehören Uchronie, Steampunk etc… zu Alternative History?
Verschiedene Untergenres des Themas zeige ich hier.
Der Ankerpunkte Blog hat zusätzlich das Ziel, alle Perspektiven von Alternative History abzubilden.
Deshalb habe ich ihn nach folgenden Überpunkten strukturiert:
- Wo lagen Ankerpunkte in der Vergangenheit?
Ausgehend von wissenschaftlichen Standards sammle ich solche Artikel in der Kategorie „Historische Hintergründe“. - Welche Ereignisse oder Entwicklungen ergaben sich aus Änderungen?
Für diese halb wissenschaftlichen, halb literarischen Spekulationen gibt es die Kategorie „Imaginäre Szenarien“. - Welche Spielräume hatten die einzelnen Akteure in diesen Entwicklungen?
Diese literarisch geprägte Kategorie gibt es unter „Fiktive Geschichten“. - Wie beschäftigen sich Autoren aus Wissenschaft und Literatur mit Alternative History?
Deren Antworten sind in der Kategorie „Romane und Filme“ zu finden.
Gelingt mir das alles im Ankerpunkte Blog? Es bleibt wie überall im Internet Ihnen überlassen. In diesem Sinne viel Spaß beim Stöbern und Lesen!
Quellen und Literatur
- Johannes Dillinger: Uchronie. Ungeschehene Geschichte von der Antike bis zum Steampunk. Paderborn 2015.
- Richard J. Evans: Veränderte Vergangenheiten. Über kontrafaktisches Erzählen in der Geschichte. München 2013.
- Thomas Lindemann: Wenn Nazis siegen und die Schweiz Krieg führt. Alternative Geschichte, auf: welt.de (26.09.2008).
- Hans-Peter von Peschke: Was wäre wenn. Alternative Geschichte. Darmstadt 2016.
- Michael Stang: Wo stand die „Wiege der Menschheit“? Streit unter Paläoanthropologen, auf: deutschlandfunk.de (20.05.2021).