1932 liegt die „Weimarer Republik“ im Sterben. Was danach kommt, ist noch unklar. Erst recht als Adolf Hitler in Weimar ermordet wird.

Ankerpunkt

Die sterbende „Weimarer Republik“

Im November 1932 lag die knapp zehn Jahre alte „Weimarer Republik“ in ihren letzten Zügen.

Neben einer sich seit 1929 immer mehr verschärfenden Wirtschaftskrise war das politische System immer handlungsunfähiger geworden.

Im März 1930 war die letzte Koalition zerbrochen, die sich noch auf eine Mehrheit im demokratisch gewählten Reichstag stützen konnte. Seitdem regierten die Reichskanzler oftmals nur mit Notverordnungen und sogar bewusst gegen die Parlamentsmehrheit.

Hinzu kam, dass die erste Reichstagswahl des Jahres 1932, im März, mit Siegen für die Kommunisten und noch mehr für die deutlich erstarkten Nationalsozialisten endete. Beide konnten danach den Reichstag mit ihrer „negativen Mehrheit“ jederzeit blockieren.

Auch der mächtige Reichspräsident Paul von Hindenburg (auf dem Bild in seiner kaiserlichen Generalsuniform) war kein Freund der Demokratie.

Foto des Paul von Hindenburg
(Everett Collection/Shutterstock)

Zwar hielt er sich in seinem Amt strikt an die republikanischen Gesetze, aber er und eine „Kamarilla“ genannte Gruppe aus seinen Günstlingen bei den politischen Rechten strebten offen eine Abschaffung der Republik an.

So gab es bei ihnen Überlegungen, den Reichstag ohne Neuwahlen aufzulösen und eine Präsidialdiktatur zu erreichten.

Eskalierende Straßenkämpfe

Hinzu kam ein sich seit 1930 verstärkender Kampf der verschiedenen politischen Gruppierungen, der zunehmend in bewaffneten und tödlichen Terror auf der Straße umschlug.

Damit normalisierte sich Gewalt als Mittel der Politik in den Köpfen der Menschen. Vor allem je weniger der demokratische Staat in der Lage schien, dabei die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Vor allem die nationalsozialistische „Sturmabteilung“ (SA) und der kommunistische „Rotfrontkämpferbund“ eskalierten die Lage immer mehr.

Das demokratisch geprägte „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ war dagegen trotz seiner zahlreichen Mitglieder auf der Straße und in der Politik in die Defensive gedrängt. Dies hing damit zusammen, dass die es tragenden Parteien – SPD, Zentrum und eine liberale Splitterpartei – geschwächt waren, während die protestantisch-konservativen Parteien erodierten oder in eine extreme Richtung drifteten.

Diese Verhältnisse erinnerten viele Menschen an die bürgerkriegsähnlichen Straßenkämpfe zu Beginn der 1920er Jahre, zum Beispiel in Berlin (siehe Bild).

Schwarz-Weiß-Foto des Brandenburger Tors im Jahr 1932
(Everett Collection/Shutterstock)

Damals hatte die „Organisation Consul“ bei erfolgreichen Attentaten den Reichsfinanzminister Matthias Erzberger und den Außenminister Walter Rathenau getötet. Als Organisation war sie danach zerschlagen worden, aber zahlreiche Mitglieder waren noch in verschiedenen Gruppen der radikalen politischen Rechten aktiv.

Diese Situation schien sich nun zu wiederholen.

Beispielhaft war es im Juli 1932 zu blutigen Ausschreitungen im damals preußischen Altona gekommen. Am sogenannten „Altonaer Blutsonntag“ starben nach einer provozierenden nationalsozialistischen Demonstration sowie anschließenden Straßenkämpfen der Nationalsozialisten mit Polizisten und Kommunisten 18 Personen.

Als Reaktion hatte die Reichsregierung unter Kanzler Franz von Papen die demokratisch eingestellte preußische Landesregierung abgesetzt und den größten Bundesstaat unter Reichsverwaltung gestellt.

Damit war das letzte starke Bollwerk der „Weimarer Republik“ gefallen. Zur Wahrheit gehörte aber auch, dass die abgesetzte preußische Regierung – wie viele Landesregierungen 1932 – sich nach den letzten Wahlen nicht mehr auf eine demokratische Mehrheit im Landtag stützen konnte.

Daher war die Lage im Berlin des Jahres 1932 extrem angespannt.

Die vermeidbaren Nationalsozialisten

Es lief jedoch nicht zwangsläufig auf die 1933 folgende „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten hinaus.

Zum Beispiel spekulierten 1932 viele Beobachter und rechte Parteien auf eine Restauration der Monarchie, eine Militärdiktatur oder einen faschistischen Ständestaat nach portugiesischem oder italienischem Vorbild.

Vor allem die Person Adolf Hitler war selbst innerhalb der Elite der politischen Rechten umstritten und seine absoluten Machtansprüche wurden bis zu seiner Ernennung zum Reichskanzler dort nicht überall akzeptiert.

Nicht viel mehr als die latente Angst vor einem kommunistischen Umsturz, den die KPD zumindest lautstark propagierte, hielt die verschiedenen rechten Gruppierungen zusammen.

Wie prekär die Lage der NSDAP 1932 dennoch war, zeigten zwei Ereignisse:

  1. Trotz der Wahlerfolge war es der NSDAP erst im Februar 1932 gelungen, für Adolf Hitler die Staatsbürgerschaft eines deutschen Bundesstaates und damit das Wahlrecht zu erreichen. Dem vorangegangen waren mehrere gescheiterte und in der Presse gehässig ausgeschlachtete Versuche, ihm die Staatsbürgerschaft durch einen Beamtenposten in den Bundesstaaten Thüringen und Braunschweig zu verschaffen. Ohne eine solche konnte er in der „Weimarer Republik“ kein Amt antreten, was seine Kandidatur für die Reichspräsidentschaft im gleichen Jahr bis kurz vor der Wahl unmöglich gemacht hatte.
  2. Am 6. November kam es wegen der Blockade des Reichstags zu einer Neuwahl, die mit einer Niederlage der NSDAP endete. Zwar blieb sie stärkste Partei, allerdings war die Erzählung eines unaufhaltsamen Aufstiegs gebrochen. Entsprechend kam es zu ersten Richtungsstreitigkeiten in der nationalsozialistischen Bewegung. Zudem hatte die Partei in aufwändigen Wahlkämpfen ihre finanziellen Reserven nahezu aufgebraucht.

Die gescheiterte Spaltung der NSDAP

Entsprechend versuchte der seit Dezember amtierende Reichskanzler Kurt von Schleicher, die NSDAP zu spalten und im Reichstag mit deren Abweichlern eine „Querfront“ bis zu den politischen Linken zu bilden.

Diesem Plan wurden zunächst Chancen eingeräumt. Der mächtige Organisationsleiter der NSDAP, Gregor Strasser, schien aufgeschlossen und viele Nationalsozialisten waren nach den Jahren der entbehrungsreichen Kämpfe für eine Regierungsbeteiligung und damit einen Zugang zu staatlichen Ressourcen.

Mehrere Wochen um den Jahreswechsel 1932/1933 gab es Sondierungen zwischen unterschiedlichen Personen und Lagern des rechten politischen Spektrums.

Erst als Ende Januar die Querfront-Pläne an der dennoch unumstrittenen Führungsrolle von Adolf Hitler in der NSDAP scheiterten, erwog die politische Rechte neben einer Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten auch andere Optionen.

Allerdings scheiterten Pläne, den Reichstag komplett auszuschalten und nur mit Präsidialdekreten zu regieren, am Widerstand von Hindenburg.

Doch erst mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 endeten diese Pläne sowie Gerüchte um einen Putsch der Reichswehr zu Errichtung einer autoritären Regierung.

Inhalt

Der Mord an Hitler

In „Der Consul“ lässt es Christian von Ditfurth nie soweit kommen.

Am 8. November 1932 reißt eine überraschende Nachricht den Berliner Kriminalkommissar und mehrfach traumatisierten Weltkriegsveteran Stefan Soetting aus dem Schlaf.

In Weimar wurde Adolf Hitler, Anführer der NSDAP, ermordet.

Da damit ein Zerfall der stärksten Partei des Landes und ein Bürgerkrieg droht, übernimmt der renommierte Ermittler Soetting im Auftrag des Reichskanzlers Franz von Papen und des Reichswehrministers Kurt von Schleicher die Ermittlungen.

Als Soetting in Weimar ankommt, scheint der Fall bereits geklärt und zwei kommunistische Verdächtige verhaftet.

Doch er zweifelt nach ersten Untersuchungen an deren Schuld. Vor allem als zurück in Berlin weitere Größen der NSDAP Morden zum Opfer fallen.

Foto von Ernst Röhm mit Mutter und Schweter
(Everett Collection/Shutterstock)

Zuerst wird die Leiche des SA-Chefs Ernst Röhm (rechts im Bild, mit seiner Mutter und Schwester) aus dem Wasser gezogen, dann der Gauleiter von Berlin, Joseph Goebbels, erhängt. Zuletzt wird der Reichsorganisationsleiter der NSDAP, Otto Strasser, ermordet.

Der Bürgerkrieg

Parallel marschieren in den Straßen die Nationalsozialisten auf, mal mit, mal gegen die Kommunisten und ein Bürgerkrieg aller gegen alle greift im Deutschen Reich um sich.

Währenddessen versucht Soetting weiter zu ermitteln und vor allem die verdächtige Sofia Schmoll zu schützen. Doch beide Ziele erweisen sich als zunehmend unvereinbar.

Erst recht als aus der Asche des Bürgerkriegs ein neues Deutsches Reich entsteht, dass sowohl die Republik als auch den Rechtsstaat, dem Soetting sich immer noch verpflichtet fühlt, zu Grabe trägt.

Rezension

Das alternative Ende der „Weimarer Republik“

Mit „Der Consul“ beschreibt Christian von Ditfurth ein alternatives Ende der „Weimarer Republik“ und zeigt auf, dass die Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht alternativlos war.

Oder wie es der Historiker Heinrich August Winkler formulierte:

Hitler, so weit besteht Einigkeit, kam weder zwangsläufig noch zufällig an die Macht. Seine Kanzlerschaft war bis zuletzt vermeidbar.

Heinrich August Winkler

Sehr gut ist die Darstellung, dass die NSDAP zwar die größte, aber nicht die mächtigste Gruppierung innerhalb der politischen Rechten im Deutschen Reich war.

Nah an der realen Entwicklung ist auf jeden Fall das Ausnutzen von Teilen der Nationalsozialisten für die Agenda der traditionellen politischen Rechten. Was in der Realität scheiterte, gelingt in „Der Consul“ durch die Morde an verschiedenen Nazi-Größen.

Buchcover des Romans "Der Consul"
(Eigenes Bild)

Der Hauptcharakter Soetting fügt sich gut in das Szenario des Romans ein. Als Leser bin ich ihm gerne gefolgt und kann seine Gedanken nachfühlen.

Interessant sind vor allem seine noch immer vorhandenen Traumata aus dem Ersten Weltkrieg sowie das Verhältnis zu zweien seiner damaligen Kameraden.

Sie stehen quasi stellvertretend für die Entwicklung der „Weimarer Republik“ nach der Kriegsniederlage: Einer landet bei der Reichswehr und der politischen Rechten, einer beim kommunistischen „Rotfrontkämpferbund“ und der Dritte in Gestalt von Soetting arbeitet ohne emotionale Überzeugung für die Republik.

Guter Spagat zwischen Geschichte und Roman

Insgesamt gelingt „Der Consul“ ein guter Spagat zwischen der „realen“ sowie „alternativen“ Geschichte sowie der Erzählung in Form eines Krimis.

Christian von Ditfurth beschreibt die bekannten und unbekannten Nazi-Größen sowie das Berlin des Jahres 1932 sehr detailreich und gibt dem Roman dadurch eine große Dichte. Eine erzählerische Stärke, die er auch bei „Der 21. Juli“, „Die Mauer steht am Rhein“ und „Das Moskau-Spiel“ zeigt.

So gibt es zahlreiche Anspielungen auf Ereignisse der „Weimarer Republik“, wie die Rüstungszusammenarbeit mit der UdSSR oder die Ringvereine des Berliner Untergrunds.

Zwei Sachen trüben den sehr guten Gesamteindruck etwas.

Erstens erinnert die Konstellation der Hauptfiguren des Krimis zuerst stark an den Klassiker der „Alternative History Krimis“, des von Robert Harris geschriebenen Roman „Vaterland“.

Zweitens wird Soetting zwar am Anfang als renommierter Ermittler der Berliner Polizei eingeführt. Im Laufe des Romans unterlaufen ihm aber mehrfach irrationale Handlungen und er wird durch handwerkliche Fehler überrumpelt.

Dies kostet ihn am Ende auch den Kopf, auch wenn das Ende etwas offen bleibt.

Vielleicht ist der spannend geschriebene Roman so aber auch eine Geschichte darüber, dass Politik eben auch Folgen für unpolitische Menschen wie Soetting hat.

Oder noch mehr vor dem Hintergrund der „Alternative History“: In „Der Consul“ zeigt Christian von Ditfurth gut auf, wie viele Spielräume das Individuum in der Geschichte hat.

Das macht den Roman auf jeden Fall lesenswert.

Quellen und Literatur

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