Hunderte Jahre nach dem Sieg der Nationalsozialisten wird Adolf Hitler als Gott verehrt und Frauen gelten als halb-intelligente Gebärmaschinen. Doch die Wahrheit über den Diktator und die Frauen existiert noch im Verborgenen.

Ankerpunkt

Die Nationalsozialisten und die Frauen

In „Nacht der braunen Schatten“ beschäftigt sich Katharine Burdekin vor allem mit dem Verhältnis der Nationalsozialisten zu Frauen.

Das „reale“ Drittes Reich basierte stark auf einer sogenannten „Volksgemeinschaft“, die sich vor allem in verschiedenen Formen der „Lagererziehung“ zeigte. So hatte jede Organisation wie die „Hitlerjugend“ oder der „Bund deutscher Mädchen“ eigene Lager, in denen unter totaler Kontrolle ein Kollektiv erzwungen wurde. Viele erlebten diese „Lagergemeinschaft“ aber als egalitäre Kameradschaft, die sie mit einem großen Glückserlebnis verbanden und loyal zum Regime stehen ließ.

Als verbindendes Element der „Volksgemeinschaft“ galt das gemeinsame arisch-deutsche „Blut“, auch zur Abgrenzung nach außen. Damit verbunden war ein Bekenntnis zur Ungleichheit, insbesondere der unterschiedlichen Wertigkeiten von Menschen durch ihre „Rasse“.

Die Erziehung in diesem Sinne, so Hitler in „Mein Kampf“, sollte nicht durch Bildung erfolgen, sondern durch „Körperzüchtigung“ in den Lagern.

Verschiedene Organisationen sollten die Kinder ab zehn Jahren in die nationalsozialistische Weltsicht integrieren und sie so lange formen, dass sie unabhängig von ihren Familien komplett im nationalsozialistischen Sinne geprägt waren.

Diese Ziele verfolgten die Nationalsozialisten auch für die Frauen, wobei die für sie zuständigen Institutionen in ihrer Autonomie eingeschränkt wurden.

So gab es bereits in der NSDAP vor 1933 eine klare Abgrenzung: Alleine die Männer führten den politischen Kampf. Zum Beispiel gab es nie eine nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete.

Eine unterstützende Rolle war dagegen erwünscht. Beispielsweise galten Frauen, die für „NS-Kämpfer“ kochten als akzeptabel. Sie entsprachen damit dem Bild einer aufopferungsvollen Frau, die ihrem angeblich natürlichen Instinkt folgte.

Zwar gab es mit der „NS-Frauenschaft“ und dem „Deutschen Frauenwerk“ eigene Frauen-Organisationen. Allerdings war die „Reichsfrauenführerin“ immer männlichen Vorgesetzten untergeordnet und eine selbstständigere Rolle der Organisationen wurde unterbunden.

Stattdessen sollten die Organisationen ein nationalsozialistisches Frauenbild verankern. Zum Beispiel, indem Frauen (siehe Bild unten) zur Aufgabe einer Erwerbsarbeit zugunsten von „Kinder, Küche, Kriegsarbeit“ ermuntert wurden.

Foto einer Gruppe von Frauen zur Zeit des Nationalsozialismus
(Everett Collection/Shutterstock)

Ironisch war daran, dass diese Propaganda durchaus erfolgreich war. Denn die mystifizierte Rolle der opferbereiten Mutter belohnte die Frauen erstmals für Tätigkeiten wie Haushalt und Kindererziehung mit Anerkennung in der Gesellschaft.

So begann Hitler seine Reden oft mit „Volksgenossinnen und Volksgenossen“, was zumindest öffentlichkeitswirksam rhetorische Anerkennung zum Ausdruck brachte.

Besonders Anfang der 1930er Jahre konnte sich Adolf Hitler bei vielen Frauen als paternalistische Führungsfigur inszenieren, die wieder für Sicherheit und Stabilität sorgen wollte. Bereits vorher waren viele traditionell und konservativ eingestellte Frauen von einem streng konservativen und auch antisemitischen Frauenbild geprägt gewesen.

Ab 1933 gab es öffentlichkeitswirksame Inszenierungen wie einen „Muttertag“ oder ab 1939 das „Mutterkreuz“ für kinderreiche Mütter. Gerade letzteres entwickelte sich durch zahlreiche damit verbundene Privilegien zu einer begehrten Auszeichnung unter den Frauen.

Die Rolle der Frauen bestand im Nationalsozialismus vor allem darin, möglichst viele Kinder zur Welt zu bringen und diese im nationalsozialistischen Sinne zu erziehen.

Eine Rolle, die viele Frauen bis 1939 begeistert annahmen: So waren 12 Millionen deutsche Frauen Mitglieder in den nationalsozialistischen Organisationen. Und nach Kriegsende stellten die Alliierten bis zu 8.000 archivierte Liebesbriefe von Frauen an Adolf Hitler sicher.

Die quasi-religiöse Verehrung für Adolf Hitler

Ein weiterer Faktor von „Nacht der braunen Schatten“ ist die Verehrung der Person Adolf Hitler. Dass diese zweifelsfrei vorhanden war, zeigten die bereits erwähnten Liebesbriefe.

Diese Verehrung war kein Zufall: Durch Parolen wie „Auch Du gehörst dem Führer“ für den „Bund deutscher Mädchen“ oder „Jugend dient dem Führer“ für die „Hitlerjugend“ verstärkte die nationalsozialistische Propaganda den emotionalen Fokus auf die Person Adolf Hitler.

Dieser Faktor ist etwas ironisch, da Hitler wie viele aus der Führungsriege der Nationalsozialisten nicht dem arischen Idealbild eines blonden, blauäugigen und körperlich starken Mannes entsprach: Adolf Hitler war dunkelhaarig und wenig kräftig, Joseph Goebbels relativ klein und gehbehindert, Hermann Goering fettleibig und drogensüchtig.

Im national-protestantischen Milieu galt Hitler dennoch vielen Menschen bereits vor seiner Wahl zum Reichskanzler als potenzielle Erlöserfigur, die sowohl mit hohen Erwartungen als auch mit viel Vertrauen in seine Fähigkeiten überfrachtet war.

Die nationalsozialistische Propaganda sowohl vor als auch nach 1933 förderte diesen Effekt, indem sie sich stark auf die Person Adolf Hitler konzentrierte. Da er so der normalen Politik enthoben wurde, konnten die Anhänger ihre positiven Gefühle und Hoffnungen ganz auf ihn projizieren. Am Ende stand so nicht nur ein politischer „Führer“, sondern eine quasi-religiöse Erlöserfigur.

Diese Fokussierung zeigte sich 1934, als er nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg auch dessen Befugnisse übernahm. So ließ er alle Soldaten der Reichswehr einen persönlichen Eid auf sich als „Führer des Deutschen Reiches und Volkes“ schwören. Dazu gab es die propagandistische Schlagzeile: „Heute ist Hitler ganz Deutschland!“

Bereits zur gleichen Zeit begannen Städte, ihre Straßen und Plätze nach ihm zu benennen und so den öffentlichen Raum durch ihn einzunehmen – sowie von bisherigen Repräsentanten zu löschen.

Münze mit dem Bild von Adolf Hitler und dem Motto "Unser die Zukunft Adolf Hitler"
(Sytilin Pavel/Shutterstock)

Auch galt der „Deutsche Gruß“ mit seinem „Heil Hitler“ bald für große Teile der Bevölkerung als selbstverständlich.

Die Verehrung für ihn zeigten die begeisterten Reaktionen breiter Bevölkerungsschichten bei Besuchen von Adolf Hitler in den Städten und Regionen des Deutschen Reiches. Zudem „pilgerten“ tausende Anhänger zur Residenz Hitlers auf dem bayerischen Obersalzberg, um ihn zu sehen. Ein Ritual, bei dem selbst Zeitzeugen eine religiöse Komponente bemerkten.

Ziel der Propaganda war ein „Führer-Mythos“ mit einem genial-heroischen Adolf Hitler als Verkörperung Deutschlands und des deutschen Volkes, dessen persönliche Leistung alle wirtschafts- und außenpolitischen Erfolge nach 1933 waren.

Damit dockte die Propaganda an bereits verbreitete Wünsche nach einer nationalen Volksgemeinschaft an, die Adolf Hitler als strenges, aber nur dem Wohle der Gemeinschaft verpflichtetes Oberhaupt führte.

Bezeichnend für diese Einstellung ist ein Aufsatz aus dem Jahr 1921, mit dem Rudolf Hess, später stellvertretender NSDAP-Parteivorsitzender, die Frage eines Preisausschreibens beantwortete: „Wie wird der Mann beschaffen sein, der Deutschland wieder zur Höhe führt?“

„Der Mann, der Deutschland wieder aufwärts führt, ist zwar auch ein Diktator, aber in heiliger Vaterlandsliebe hält er über allem eigenen Ehrgeiz seines Landes Wohl und zukünftige Größe als einziges Ziel im Auge“, schrieb der Student und ehemalige Frontoffizier: „Er wird Deutschland wieder zur Vernunft bringen wie der Arzt einen Halbirren – wenn nötig mit brutalster Gewalt.“

Sven Felix Kellerhoff: Caesar, Napoleon, Hitler – So stellte sich Rudolf Hess den „Führer“ vor. Neue Biographie, auf: welt.de (16.10.2023).

Durch die so entstandene hohe Beliebtheit blieb Hitler innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung und für die Organisationen, in denen noch 1933 die alten Eliten dominierten, unantastbar. „Wenn das der Führer wüsste“ war eine weit verbreitete Parole, um Unzufriedenheit mit dem Regime auszudrücken, ohne dies der Person Hitlers anzulasten.

Dies ging so weit, dass Hitler selbst ab 1935/37 an seine eigene Unfehlbarkeit und seine messianische Mission, was die Judenverfolgung und das Gewinnen von „Lebensraum“ anging, glaubte und diese widerspruchslos durchsetzte.

So wurde seine Rhetorik messianischer, da er sich als „Erwählter“ des Deutschen Volkes sah und unbeirrbar auf einer historischen Mission wähnte. Eine Mission, die direkt in den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg führte.

Inhalt

Das Jahr 720 nach Hitler

In der fernen Zukunft von „Nacht der braunen Schatten“ – beschrieben als Jahr 720 nach Hitler – wird Adolf Hitler in einer eigenen Religion als Gott beziehungsweise Gottessohn verehrt.

Hermann Göring und Joseph Goebbels sind als „Erzhelden“ Teil eines nationalsozialistischen Glaubensbekenntnisses. Lenin, Stalin, Ernst Röhm und Karl Barth – ein protestantischer Theologe und Widerstandskämpfer – gelten dagegen als „Teufel“, die der vergöttlichte Hitler in ferner Vergangenheit besiegt hatte.

In der göttlichen Version wird er nach dem Vorbild alter skandinavischer Götter (siehe Bild) als enorm groß, mit langem blonden Haar und Bart sowie tiefblauen Augen dargestellt. Neben zahlreichen legendären Heldentaten gilt er als entrückt.

Foto einer Statue des alten skandinavischen Gottes Thor. Ähnlich wird Adolf Hitler in "Nacht der braunen Schattebn dargestellt".
(Liub Shtein/Shutterstock)

Als weiterer religiöser Grundsatz im „Heiligen Deutschen Reich“ gilt eine hierarchische Gesellschaftsordnung der Rassen- und Klassenüberlegenheit:

  • von unten ausländische Hitleranhänger (nach einem zwanzigjährigen Weltkrieg unterworfene Völker)
  • deutsche Nazis
  • Ritter (Nachfahren von 3.000 von Hitler „geweihten“ Anhängern)
  • an der Spitze ein Führer mit einem inneren Kreis von zehn Rittern

Nur die Ritter haben Familiennamen und eine männliche Familienlinie. Nazis und ausländische Hitleranhänger haben nur Vornamen, um keinen generationenübergreifenden Familiensinn zu entwickeln und nur Loyalität gegenüber dem „heiligen Blut“ der Deutschen zu empfinden.

Diese Hierarchie gilt nur für Männer: Frauen leben strikt getrennt in eigenen Vierteln und haben die oberste Aufgabe, Söhne zu gebären, die ihnen nach achtzehn Monaten weggenommen werden.

Da die männliche Gesellschaft sie als unreine, nur halb-intelligente Tiere ohne Seele ansieht, werden die Frauen gezwungen, kahlgeschoren und in gebeugter Haltung zu gehen.

Das Gefühl der Liebe gilt nur unter den jeweiligen Männern der verschiedenen Rassen und Klassen als akzeptabel.

Christen gibt es nur noch als kleine, von der Gesellschaft abgesonderte Gemeinschaften, die als Feindbild dienen. Da Bücher bis auf technische Werke nicht mehr existieren, ist die christliche Religion selbst unter den Christen nur verfälscht überliefert.

Die Juden sind dagegen vollständig ausgerottet, während die russische Bevölkerung noch als unterworfenes Volk existiert. In der offiziellen Geschichtsschreibung galten die unterworfenen Völker vor ihrer Eroberung als primitive Stämme, da nur die Deutschen in der Lage waren, fortschrittliche Technologie zu entwickeln.

Neben dem Deutschen Reich existiert nur das japanische Reich, mit dem nach mehreren Kriegen seit 70 Jahren Frieden herrscht. Japan beherrscht unter anderem die USA, Kanada und Australien. Die deutschen Nazis, die zum Beispiel Afrika, Persien und große Teile Russlands unterworfen haben, bereiten sich aber auf den nächsten Krieg vor.

Ein Foto und ein Buch aus der Vergangenheit

„Nacht der braunen Schatten“ folgt zuerst dem deutschen Bauern und Nazi Hermann. Er wird in seinem Dorf von Alfred besucht, einem Engländer auf „Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten in Deutschland“.

Die Engländer gelten einerseits als verdächtig, da sie die letzten waren, die sich gegen die Nationalsozialisten verteidigt hatten. Und noch vor hundert Jahren hatten sie einen Aufstand gewagt.

Andererseits gibt es unter vielen deutschen Nazis eine große Sympathie für England. Deshalb ist der Dienst in der dortigen Besatzungsarmee sehr beliebt. So ist Hermann seitdem in Alfred verliebt, obwohl er im Gegensatz zu diesem ein Analphabet und wenig intellektuell ist.

Alfred erzählt Hermann überraschend von seinem Plan, das „Heilige Deutsche Reich“ zu zerstören. Er plant, den Glauben an Hitler als Gott zu erschüttern, der die Basis für die Herrschaft des Reiches darstellt.

Da Hermann einen anderen Nazi fast totschlägt, der ein christliches Mädchen vergewaltigen will – was als „Blutschande“ gilt – kommt Alfred in Kontakt mit dem vorgesetzten Ritter Friedrich von Hess zu Hohenlinden.

Von Hess ist der letzte seines Rittergeschlechts und hütet mehrere Familiengeheimnisse.

Zuerst zeigt er Alfred und Hermann eine Fotografie aus der Vergangenheit, die Hitler in seinem echten Aussehen zeigt. Was die Männer noch mehr erschüttert, ist eine hübsche junge Frau auf dem Bild.

Danach zeigt er beiden ein Buch, in dem einer seiner Vorfahren bruchstückhaft die Menschheitsgeschichte aufgeschrieben hatte, bevor diese komplett durch die nationalsozialistischen Mythen umformuliert wurde. Dabei erklärt Hess den Ursprung der Trennung zwischen Männern und Frauen.

Ebenso verrät er ihnen, dass ein Krieg zwischen Deutschland und Japan unmöglich ist. Die jeweiligen „Herrenrassen“ schrumpfen, da immer weniger Töchter auf die Welt kommen. Und die unterworfenen Völker dürften nicht mit komplexen Waffen kämpfen.

Doch es gibt einen Grund, weshalb er ihnen das anvertraut: Er möchte, dass Alfred das Buch und die Fotografie verwahrt. Unter Einsatz seines Lebens.

Rezension

Die jahrhundertelange „Nacht der braunen Schatten“

Katharine Burdekin baut in ihrem Roman eine Alternativwelt auf, in der sich die nationalsozialistische Propaganda über die Jahrhunderte zu einem Mythos und einer Religion entwickelt hat. Somit wurde die Geschichte komplett nach dem nationalsozialistischen Mythos umgestaltet.

Indirekt weist sie durch die vergöttlichten Nationalsozialisten darauf hin, dass weder Hitler noch Göring oder Goebbels oder andere Nationalsozialisten (siehe Bild von Ernst Röhm) dem selbst propagierten Bild eines nordischen Ariers entsprachen.

Foto des nationalsozialisten Ernst Röhm mit Mutter und Schwester
(Everett Collection/Shutterstock)

In ihrem 1936 erschienen Roman beschrieb Katharine Burdekin reale Entwicklungen allerdings sehr passend.

Zuerst sah sie klar das Ziel der Nationalsozialisten, die Welt zu unterwerfen und die Juden auszulöschen.

Vor allem betrifft dies aber die Rolle der Frauen im nationalsozialistischen „Heiligen Deutschen Reich“, die ausgehend von der „realen“ propagandistischen Reduzierung auf die Mutterrolle in „Nacht der braunen Schatten“ auf rechtlose Gebärmaschinen reduziert wurden.

Das Nachwort der Ausgabe von 1995 lobt daher zu Recht den Roman als eine der ersten Beschreibungen des Zusammenhangs zwischen Faschismus und Patriarchat beziehungsweise Frauenfeindlichkeit.

Die gleiche Entwicklungslinie gilt für die „reale“ Verehrung, die Adolf Hitler durch seine Anhänger entgegenschlug und die ab 1933 ein quasi-religiöses Niveau erreichte.

Von daher finde ich es durchaus logisch, wenn Katharine Burdekin erklärt, dass die nationalsozialistische Religion mit ihren Auswirkungen für die Gesellschaft in „Nacht der braunen Schatten“ zwar vom Führer sowie seinem inneren Kreis entworfen und beschlossen wurde. Entscheidend war jedoch eine hysterische Bevölkerung, die den Mythos Hitler in eine Religion übertragen wollte.

Ein emanzipatorischer Roman

Kathrin Burdekin zeigt in ihrem Roman eine andere Art, Geschichten zu erzählen und viele emanzipatorische Gedanken. Vor allem in Bezug auf die Rolle der Frau und vor dem Hintergrund, dass der Roman bereits 1937 erschien.

So weist „Nacht der braunen Schatten“ wenig Handlung auf. Dagegen gibt es lange Dialoge zwischen Hermann, Alfred und Ritter von Hess.

Alle drei sind interessante Charaktere. Wobei sie realistisch in ihrer Alternativwelt – und teilweise dem Frauenbild des „realen“ Jahres 1937 – verwurzelt bleiben. So ist der Ritter trotz seines Wissens um die früheren Frauen davon überzeugt, dass Frauen keinen eigenen Willen haben.

Ironisch ist, dass im 1937 veröffentlichen Roman gerade der Ritter von Hess die Vertrauenswürdigkeit des Engländers Alfred mit einem gemeinsamen Flug testet. Denn sein Vorfahr Rudolf Heß flog in der „realen“ Geschichte 1941 unter mysteriösen Umständen nach Großbritannien, um einen Friedensschluss zu verhandeln.

Eine große Stärke des Romans sind aus meiner Sicht kluge Gedanken, die Katharine Burdekin in den Dialogen unterbringt.

So formuliert Alfred die These, dass die unterworfenen Völker die Idee des vergöttlichten Hitlers akzeptierten, um die eigene Niederlage erträglicher zu machen.

Ebenso finde ich interessant, wie die Charaktere über die „vergangene“ Zivilisation sprechen und sich zum Beispiel über christliche Priester wundern. Damit bringt Kathrin Burdekin damals – und nicht nur damals – aktuelle Debatten in den Roman.

Denn durch Alfred formuliert sie moderne emanzipatorische Grundlagen, zum Beispiel, dass Frauen „sexuelle Unanfechtbarkeit und Stolz auf das eigene Geschlecht“ entwickeln müssen. Erst damit wird ihre eigenständige Entwicklung eingeleitet und für sie inakzeptabel, dass Männer über ihre Lebensweise bestimmen.

Etwas übertrieben ist aus meiner Sicht, dass im Roman die Engländer als Ausnahmeerscheinung gelten, die sich unter den unterworfenen Bevölkerungen als einzige etwas Unbeugsamkeit und Prinzipientreue bewahrt haben.

Insgesamt bietet „Nacht der braunen Schatten“ (siehe Bild) neben einem durchaus realistischen Szenario viele interessante Gedanken.

Cover des Romans Nacht der braunen Schatten von Katharine Burdekin
(Eigenes Bild)

Leider ist Katharine Burdekin als Feministin und (heimliche) Homosexuelle eine Ausnahmeerscheinung in der Alternative History. Schade, denn sie bringt eine interessante und wertvolle Perspektive ein. Eine, die ich gerne weiterempfehle.

In eigener Sache: Vorsicht vor rechten Auslegern

Leider auch hier wieder ein Hinweis in eigener Sache.

Die Ausgabe von „Nacht der braunen Schatten“ aus dem Jahr 2016 führte mich nach einigen Recherchen wieder zu einem Verlag, der nach meinem Kenntnisstand auch für rechte Auslegungen des Alternative History Genres offen ist.

Zwar publiziert diese Ausgabe ebenfalls das Nachwort, das auf die Kritik an Faschismus und Patriarchat bei Katharine Burdekin eingeht und diese lobt. Danach gibt es aber Werbung für Bücher, bei denen ich schwer einschätzen kann, in welche politische Richtung sie gehen.

Daher verzichtete ich auf eine Nennung dieser Ausgabe im Quellen- und Literaturverzeichnis, empfehle aber gerne die Ausgabe von 1995 weiter. Leider ist diese nur noch schwer zu bekommen.

Quellen und Literatur

  • Katharine Burdekin: Nacht der braunen Schatten. Münster 1995.
  • Evangelische Kirche in Deutschland: Karl Barth, auf: ekd.de (10.12.2018).
  • GEO Epoche: Deutschland unter dem Hakenkreuz. Teil 1: 1933-1936. Die ersten 1000 Tage der Diktatur. Oktober 2012.Thalia Button
  • Sven Felix Kellerhoff: Caesar, Napoleon, Hitler – So stellte sich Rudolf Hess den „Führer“ vor. Neue Biographie, auf: welt.de (16.10.2023).
  • Sven Felix Kellerhoff: Was so viele Frauen an Hitler faszinierte. Nationalsozialismus, auf: welt.de (24.07.2017).
  • Michaela Kipp: Die NS-Frauenpolitik, auf: lemo.de (12.09.2000).
  • Benjamin Maack: „Ich küsse Dich auf Deine vier Buchstaben“. Liebesbriefe an Hitler, auf: spiegel.de (15.04.2008).
  • Yvonne Schymura: „Das Mutterkreuz ist mein sehnlichster Wunsch“. Frauen im Nationalsozialismus, auf: spiegel.de (11.05.2014).
  • DER SPIEGEL Geschichte: Faschismus. Das Europäische Inferno. Mai 2017.Thalia Button
  • DER SPIEGEL Geschichte: Hitlers Machtergreifung. 30. Januar 1933. Der Anfang vom Untergang. Januar 2008.
  • DER SPIEGEL Geschichte: Hitlers treues Volk. Warum die Deutschen dem Nationalsozialismus verfielen. November 2022.Thalia Button
  • ZEIT Geschichte: Diktatoren. Die Feinde der Demokratie: Eine Geschichte von Mussolini bis Putin. Juli 2022.
  • ZEIT Geschichte: Europas Weg in den Faschismus. November 2013.

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