Entstanden als Bündnis zwischen Stadtstaaten und Landgemeinden im Mittelalter, prägten Konflikte und Kompromisse die Geschichte der Schweiz.
So ist die offizielle Geschichte des Landes eine mit vielen Legenden, darunter den Rütli-Schwur und von Wilhelm Tell. Doch hinter den Geschichten der 26 Kantone (siehe Karte unten) liegt eine jahrhundertelange Entwicklung bis zur heutigen Schweiz.
Daher ist die Geschichte des Alpenstaates eine mit viel Potenzial für Alternative History.
Ankerpunkte
- 919: Die Abwehrschlacht bei Winterthur
- 1268: Der zersplitternde Tod von Konradin
- 1320: Der abwesende Tod des Werner von Homberg
- 1386: Die Schlacht bei Sempach
- 1393: Das gescheiterte Bündnis von Zürich mit Habsburg
- 1415: Die unverhoffte Eroberung der „Gemeinen Herrschaften“
- 1476: Der provozierte Kriegsgrund des Karl des Kühnen
- 1515: Die zweitägige Schlacht von Marignano
- 1518: Die knappe Wahl von Ulrich Zwingli
- 1602: Die gescheiterte Eroberung von Genf
- 1798: Die knapp verhinderte Bombardierung von Bern
- 1815: Die chaotische Restauration
- 1847: Der unblutige Sonderbundkrieg
- 1848: Die erste Bundesstadt der Schweiz
- 1856: Der fast eskalierte „Neuenburgerhandel“
- 1914: Die umstrittene Wahl von General Ulrich Wille
- 1940: Das verschobene „Unternehmen Tannenbaum“
- 1963: Die theoretischen Atomwaffenpläne der Schweiz
- 1974: Die knappe Schaffung des Kantons Jura
1. 919: Die Abwehrschlacht bei Winterthur
Die heutige Schweiz war seit dem Ende des Römischen Reichs mit Ausnahme einer kurzen Zeit im Reich der Karolinger territorial gespalten.
Nach dem Ende des Frankenreiches dominierten zwei Reiche in diesem Gebiet: Im Westen das Königreich (Hoch-)Burgund, das sich bis an das Mittelmeer ausdehnte. Im Osten das Herzogtum Schwaben, das sich im entstehenden Ostfrankenreich neu bildete.
Die Grenzregion zwischen beiden Reichen (siehe Karte unten) verlief quer durch die heutige Schweiz: Vom Fluss Aare im Westen ging das umstrittene Gebiet in Richtung Nordosten zeitweise bis an den Bodensee.
Zuerst schien das Königreich Burgund bei seiner Expansion im Vorteil, da das zukünftige Herzogtum Schwaben bis 917 innerlich zerstritten war.
Erst dem ersten Herzog, dem bisherigen Markgrafen von Rätien Burchard II., gelang es eine stabile Herrschaft zu etablieren. So gestärkt konnte er 919 in der Schlacht bei Winterthur den Burgunderkönig Rudolf II. schlagen und ein Herrschaftszentrum in Zürich aufbauen.
Die so etablierte Grenze zwischen Burgund und Schwaben blieb über die nächsten Jahrhunderte reichsrechtlich gesehen relativ stabil.
Was wäre gewesen, wenn das Herzogtum Schwaben die Expansion von Burgund nicht bei Winterthur beendet hätte?
2. 1268: Der zersplitternde Tod von Konradin
Im folgenden Mittelalter war das Herzogtum Schwaben, mit seinen wichtigen Routen über die Alpen nach Burgund und Italien, ein Zentrum des römisch-deutschen Kaiserreiches.
Diese Entwicklung hing zuletzt an der Dynastie der Staufer, die schwäbische Herzöge und gleichzeitig römisch-deutsche Könige waren. Als König Konrad 1254 mit nur 26 Jahren starb, begann sich aber die Zentralmacht im Herzogtum Schwaben langsam aufzulösen.
Zwar gab es danach mit Konradin noch einen Staufer, der mit 10 Jahren zu Herzog von Schwaben erhoben worden war. Ihm gelang es jedoch aufgrund seines Alters nicht, das Herzogtum unter Kontrolle zu bekommen.
Zudem wurde er 1268 nach seiner Niederlage im Kampf um das Erbe in Sizilien hingerichtet. Damit hörten die Staufer als Herrschaftsgeschlecht auf zu existieren.
Danach entstand endgültig ein Machtvakuum, in dem verschiedene Mächte versuchten, ihre Territorien in der zukünftigen Schweiz auszuweiten: Neben Adelsgeschlechtern wie den Habsburgern und den Savoyern traten auch andere Kräfte auf. Zum Beispiel Reichsstädte wie Bern und Zürich, aber auch Gebiete wie die späteren ersten Eidgenossen.
Wie hätte sich die spätere Schweiz entwickelt, wenn Konradin nicht hingerichtet worden wäre?
3. 1320: Der abwesende Tod des Werner von Homberg
Als der Söldnerführer Werner von Homberg 1320 in Italien starb, hatte dies Folgen für den Alpenraum.
Den entgegen den Legenden von Rütlischwur und anderen literarischen Quellen bestand zur damaligen Zeit keine dauerhafte Eidgenossenschaft unter den Verbündeten.
Stattdessen gab es eine Reichsvogtei aus den drei „Waldstätten“ Uri, Schwyz und Unterwalden (damals Nidwalden und Obwalden), die Kaiser Heinrich VII. im Jahr 1309 im Austausch gegen Söldner aus den Gebieten gebildet hatte.
Damit waren diese Orte, die strategisch wichtig am Gotthardpass (siehe Bild unten) lagen, reichsunmittelbar. Das heißt, sie waren nur noch dem Kaiser und einem von diesem ernannten Reichsvogt untertan.
Werner von Homberg hatte dieses Amt seit 1309 inne und war mit zahlreichen Ländereien durchaus aktiv in der Vogtei. Sein Plan, eine dynastische Herrschaft zu etablieren, ging aber nicht auf, bis er mit knapp 36 Jahren auf einem Kriegszug in Italien starb. Denn sein Sohn starb bereits fünf Jahre später.
Als damit die Reichsvogtei vakant war, nutzten die Eliten des Gebietes diese Entwicklung aus. Gestützt auf den militärischen Erfolg 1315 in der Schlacht von Morgarten und das darauf im „Morgartenbrief“ gefestigte Bündnis machten sie sich de facto unabhängig von kaiserlichen Vögten.
Dies war der eigentliche Beginn der späteren Eidgenossenschaft. Diese begann sich im Laufe des 14. Jahrhunderts über Bündnisse zum Beispiel mit Zürich und Luzern zu erweitern.
Was wäre gewesen, wenn Werner von Homberg nicht gestorben wäre?
4. 1386: Die Schlacht bei Sempach
Als es wegen Konflikten mit der Stadt Luzern zum Kampf dieser Verbündeten mit den Habsburgern kam, war dies auch Teil eines größeren Konfliktes im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Bis Ende des 14. Jahrhunderts hatten sich zahlreiche Städtebündnisse gebildet, bei denen auch Mitglieder der späteren Eidgenossenschaft teilnahmen.
Diese Bündnisse unterlagen aber schrittweise den sich bildeten Fürstenstaaten und wurden 1389 mit dem Landfriesen von Eger offiziell aufgelöst.
Anders war die Lage für die spätere Eidgenossenschaft: Als der Habsburger Leopold III. seine Herrschaftsrechte in Luzern militärisch durchsetzen wollte, unterlag sein Aufgebot – für die damalige Zeit überraschend – in der Schlacht bei Sempach dem Heer der Luzerner Verbündeten.
Diese Schlacht stärkte die Entwicklung der Eidgenossenschaft auf zwei Weisen: Erstens konnte das Bündnis trotz des Landfriedens von Eger weiterbestehen, da keine fürstliche Macht die Auflösung durchsetzen konnte. Zweitens starben mit dem Habsburger Leopold III. zahlreiche an ihn gebundene Adelige aus der Region, was die Macht der Habsburger in der Region dauerhaft schwächte.
Was wäre gewesen, wenn Leopold III. die Schlacht von Sempach gewonnen hätte?
5. 1393: Das gescheiterte Bündnis zwischen Zürich und Habsburg
Die Jahrzehnte nach dem „Morgartenbrief“ waren zwar von einer Expansion der Verbündeten um neue Mitglieder und Territorien geprägt.
Im Inneren bestand das Bündnis allerdings aus einem Geflecht verschiedener Beistandsverträge, die sich erst langsam zu einer einheitlichen Allianz formierten.
So war Zürich (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten) als eines der wichtigsten Mitglieder gespalten in eine pro-österreichische Gruppe sowie eine, die den bisherigen Verbündeten zuneigte. Anfang der 1390er stand die Stadt deshalb sogar vor dem Bürgerkrieg.
Im Frühsommer 1393 schien es so, als hätte sich die pro-österreichische Fraktion durchgesetzt. Denn ein Vertrag mit den Habsburgern stand kurz vor dem Beschluss.
Erst kurz davor setzte sich doch die andere Fraktion durch. In der Folge kam es zu einer temporären „Säuberung“ der politischen Elite der Stadt und die pro-österreichische Gruppierung verschwand als Machtfaktor.
So schlossen am 10. Juli 1393 die Verbündeten Zürich, Luzern, Bern, Solothurn, Stadt und Amt Zug, Uri, Schwyz, Unterwalden und Glarus mit dem „Sempacherbrief“ einen dauerhaften Vertrag, in dem die „acht alten Orte“ erstmals als „Eidgenossenschaft“ firmierten.
Wie hätte sich die spätere Eidgenossenschaft entwickelt, wenn Zürich das Bündnis mit den Habsburgern eingegangen wäre?
6. 1415: Die unverhoffte Eroberung der „Gemeinen Herrschaften“
Der Gegensatz zwischen Eidgenossenschaft und den Habsburgern schwelte weiter, bis sich Anfang des 15. Jahrhunderts für die Schweizer eine unverhoffte Chance ergab.
Im Zuge der Kirchenspaltung hatte der Habsburger Herzog Friedrich IV., der über Gebiete an der Grenze zur Eidgenossenschaft sowie Tirol regierte, einen abgesetzten Papst unterstützt.
Dies nahm Kaiser Sigismund als Grund, ihm alle Herrschaftsgebiete zu entziehen. Mit der Exekution dieser Reichsacht betraute der Kaiser unter anderem die Eidgenossenschaft.
Diese Chance war innerhalb der Schweizer Verbündeten umstritten: Vor allem die Befürchtung, bei einer Verständigung zwischen dem Kaiser und den Habsburgern von beiden als Gegner betrachtet zu werden, verzögerten eine Entscheidung.
Am Ende kam es jedoch zum Kampf, bei dem sich vor allem Bern und Zürich durch Eroberungen hervortaten.
Am Ende erreichte Bern die Pfandschaft über den Aargau von Zofingen bis Brugg und Zürich die Pfandschaft für die Grafschaft Baden mit Bremgarten, Mellingen sowie Sursee.
Die gesamten Eroberungen waren allerdings größer, was zu Konflikten zwischen den einzelnen Verbündeten über die Aufteilung führte.
Daher kam es zur Schaffung der ersten „Gemeinen Herrschaften“ in der Grafschaft Baden und im Aargau. Diese beherrschten die Verbündeten gemeinsam, wobei sich die einzelnen Eidgenossen in gewissen Abständen in der Verwaltung abwechselten.
Dieses Kondominium brachte einen weiteren Zwang zum Kompromiss in das heterogene Bündnis und stärkte die Einheit ein weiteres Mal.
Wie hätte sich die Eidgenossenschaft entwickelt, wenn sie nicht auf den Auftrag des Kaisers eingegangen wäre?
7. 1476: Der provozierte Kriegsgrund des Karl des Kühnen
Im Jahr 1475 prallten die Interessen von europäischen Großmächten mit Teilen der Eidgenossenschaft in den Burgunderkriegen zusammen.
So verbündete sich der Herzog von Burgund, Karl der Kühne, mit Savoyen sowie Mailand. Er wollte die Eidgenossenschaft unterwerfen, um eine Vereinigung seiner verstreuten Territorien abzusichern.
Aufseiten der Eidgenossen war Bern zum Krieg bereit, während der Rest sich abwartend verhielt.
So griffen die restlichen Eidgenossen, zum Beispiel die Züricher unter Hans Waldmann (siehe Bild unten), zuerst nur temporär ein. Grund war, dass Karl der Kühne nach Eroberung des Berner Grandson die überlebende Besatzung massakrieren ließ.
Trotz des späten Eingreifens schlugen ihn die eidgenössischen Verbündeten in der Schlacht bei Grandson.
Der Burgunderherzog hatte sich jedoch militärisch schnell erholt und belagerte die Stadt Murten, auf die Bern ebenfalls Ansprüche erhob. Da die Stadt aber kein Teil der Eidgenossenschaft war, hielten sich die Verbündeten erneut zurück.
Erst als die burgundischen Truppen mit Laupen auch Berner Territorium angriffen, sah die Eidgenossenschaft dies als Kriegsgrund und mobilisierte erneut die restlichen Kontingente.
Daher kam es am 22. Juni zur Schlacht bei Murten, die in einer vernichtenden Niederlage der Burgunder endete. Dieser Erfolg der Eidgenossen beendete die Angriffe auf die spätere Schweiz endgültig.
Wie hätten sich der Krieg zwischen Burgund und Bern entwickelt, wenn die burgundischen Truppen nur Murten belagert hätten?
8. 1515: Die zweitägige Schlacht von Marignano
Die Eidgenossenschaft begann danach, weiter zu expandieren. Der Höhepunkt war die Besetzung des reichen Herzogtums Mailand durch Schweizer Söldner.
Zum damaligen Zeitpunkt galten die Schweizer als die besten Söldner in Europa, was sie zu einer wertvollen Waffe für viele Fürsten machte. Mitverantwortlich war neben dem hohen Reservoir an kriegsbereiten Männern die disziplinierte Formation in „Gewalthaufen“, mit denen sie die bisher dominierenden Ritterheere ausschalten konnten.
Im Jahr 1511 schien dies zu einer neuen Großmachtpolitik der Schweiz führen zu können: Im Rahmen der gegen Frankreich gerichteten „Heiligen Liga“ gelang es Schweizer Heeren nicht nur, das Herzogtum Mailand militärisch zu erobern. Sie erklärten das Herzogtum zu ihrem Protektorat und sicherten es über einen Marionettenherrscher sowie Besatzungstruppen.
Der 1515 neu gekrönte französische König Franz I. war aber entschlossen, Mailand zurückzuerobern. Er versammelte ein modernes Heer und marschierte über die Alpen in Richtung Mailand. Zeitgleich bot er den Kontingenten der verschiedenen Schweizer Kantone enorme Geldsummen für einen Abzug aus Mailand.
Daraufhin zogen sich mehrere Schweizer Truppenteile mit insgesamt 10.000 Mann zurück.
Dennoch kam es am 13. September 1515, nach einem eher zufälligen Scharmützel, vor den Toren Mailands zur Schlacht von Marignano.
Doch während die verbliebenen Schweizer am ersten Tag mit ihren Sturmangriffen den Franzosen so schwer zusetzten, dass diese geschlagen schienen, wendete sich das Blatt am zweiten Tag der Schlacht.
Die scheinbar besiegten Franzosen konnten durch eine bessere Defensivstellung den erneut anstürmenden Schweizern schwere Verluste zufügen. Am Ende entschied die auftauchende Kavallerie von Venedig den Tag für die verbündeten Franzosen.
Zwar konnten sich die Schweizer anschließend trotz hoher Verluste einigermaßen geordnet zurückziehen.
Die Niederlage führte aber dazu, dass eine weitere Expansionspolitik keine Mehrheit mehr in der Tagsatzung, der Versammlung der eidgenössischen Delegierten, fand.
Stattdessen reglementierte die Eidgenossenschaft das Söldnerwesen mehr und verzichtet auf Großmachtpolitik.
Eine Haltung, aus der sich die heute bekannte Neutralitätspolitik der Schweiz entwickelte.
Was wäre gewesen, wenn die Eidgenossenschaft die Schlacht von Marignano gewonnen hätte?
9. 1518: Die knappe Wahl von Ulrich Zwingli
Bei der Schlacht von Marignano war auch ein junger Feldkaplan anwesend, den die blutige Niederlage lange verfolgte: Ulrich Zwingli.
Der 1484 geborene Sohn eines Bauern erwies sich als sehr begabt und trat nach einem Studium eine Priesterstelle an. Daneben begleitete er die regionalen Söldnerheere als Feldprediger, unter anderem bei Marignano.
Danach zweifelte er nicht nur immer mehr am Schweizer Söldnerwesen, sondern auch an den bisherigen Lehren der römischen Kirche. Zum Beispiel kritisierte er Ablasshandel und Zölibat.
1518 stand er vor seinem großen Karriereschritt: Die Chorherren des Großmünster, der bedeutendsten Kirche von Zürich, wählten einen neuen Leutpriester. Dieser war direkt für die Gläubigen vor Ort verantwortlich.
Doch die Wahl von Zwingli (siehe Bild unten) war in diesem Gremium umstritten. Es gab Gerüchte, der Priester hätte in der Vergangenheit mehrfach Verhältnisse mit Frauen gehabt.
Erst als Zwingli seine Verfehlungen kurz vor der Wahl in einem Beichtbrief an einen der Chorherren bekannte, wurde er gewählt.
Als neuer Leutpriester predigte Zwingli nicht nur auf Deutsch statt wie bisher auf Latein, sondern kritisierte auch heftig die römische Kirche.
Vor allem das „Wurstessen“ in der Fastenzeit 1522 und seine darauf folgende Kritik an den Fastenregeln der Kirche sorgten für Konflikte mit dem Züricher Rat und dem Bischof von Konstanz.
Doch bereits 1523 setzte sich die von Zwingli konzipierte Richtung einer reformierten Kirche in Zürich durch.
Bis zu seinem Tod in der ersten Schlacht von Kappel im Jahr 1531 prägte Ulrich Zwingli damit die Stadt Zürich und den protestantischen Glauben in der Schweiz.
Was wäre gewesen, wenn Ulrich Zwingli 1518 nicht zum Leutpriester in Zürich gewählt worden wäre?
10. 1602: Die gescheiterte Eroberung von Genf
Ein weiteres Zentrum des reformierten Glaubens in der Schweiz war der Stadtstaat Genf.
Günstig gelegen an der Ausmündung der Rhône aus dem Genfer See (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten) hatte sich die Bürgerschaft aber erst 1536 endgültig von den Bischöfen von Genf sowie den Herzögen von Savoyen unabhängig gemacht.
Unter Johannes Calvin entwickelte sich die Handelsstadt darüber hinaus zur Gründungsstätte eines eigenen reformierten Glaubens – des Calvinismus – und durch die 1559 gegründete Akademie zu einem von dessen europäischen Zentren mit dem Beinamen „protestantisches Rom“. So war die Stadt Zufluchtsort für viele europäische Protestanten, die Wirtschaftszweige wie Seidengewerbe, Golddrahtzieherei und Uhrmacherei aufbauten.
Während der Bischof keine weiteren Ansprüche an die Stadt durchsetzen konnte, beanspruchte der katholisch gebliebene Herzog von Savoyen weiterhin Genf als Untertanenstadt.
Im Dezember 1601 versuchte er, die Stadt im Handstreich zu nehmen, bevor das Königreich Frankreich und die verbündeten reformierten Kantone der Eidgenossenschaft eingreifen konnten.
Zwar gelang es einer zwei- bis dreihundert Mann starken Vorhut, die Stadtmauern zu überwinden. Dabei wurden sie aber entdeckt und die Stadtwache wurde alarmiert.
Als es den eingedrungenen Savoyern nicht gelang, ein Tor zu öffnen, scheiterte der Handstreich. Der Legende nach verhinderte der Soldat Isaac Mercier durch das Herablassen des Fallgitters des Stadttors Porte Neuve rechtzeitig den Angriff der Hauptstreitmacht.
Nachdem auch diplomatische Manöver gescheitert waren, musste der Herzog von Savoyen im Jahr 1603 die Unabhängigkeit der Stadt endgültig anerkennen.
Genf blieb so eine unabhängige, mit Teilen der Eidgenossenschaft verbündete Stadt.
Der Handstreich entwickelte sich in den folgenden Jahren und Jahrhunderten als „Escalade de Genève“ (Erklettern von Genf) zum wichtigsten Erinnerungsereignis der Stadt, das sie bis heute jährlich mit einem Fest sowie in der Stadthymne feiert.
Wie hätte sich Genf entwickelt, wenn der Handstreich gelungen wäre?
11. 1798: Die knapp verhinderte Bombardierung von Bern
Als die Revolutionskriege Ende des 18. Jahrhundert Europa durchzogen, war die Eidgenossenschaft zuerst nicht direkt betroffen.
Allerdings gab es auch dort Unruhen und Kritik an den oligarchischen Herrschaftssystemen, bei denen nur wenige Familien die Regierung stellten.
Dies betraf auch das Gebiet von Bern, das als größtes Mitglied der Eidgenossenschaft über weite Gebiete in der Westschweiz regierte.
Obwohl Bern reich war und als größter Stadtstaat nördlich der Alpenpässe die Eidgenossenschaft nach außen dominierte, gab es auch dort Kritik an den verkrusteten Strukturen wie der fehlenden politischen Repräsentanz der Landbevölkerung gegenüber den städtischen Eliten.
Entsprechend wenig hatte die Armee des Kantons den angreifenden französischen Revolutionsheeren entgegenzusetzen, die Anfang 1798 das Waadtland am Genfer See kampflos einnahmen.
Von den anderen Kantonen erhielten die Berner kaum Unterstützung, da diese hofften, dem Konflikt mit den Franzosen zu entgehen.
Entsprechend schnell kollabierten die Berner Verteidigungslinien als die kampferprobten Revolutionsheere am 2. März 1798 angriffen.
Trotz teilweise erbittertem Widerstand flohen die unerfahrenen Berner Soldaten und Offiziere schnell.
Obwohl damit nach zwei Tagen der Krieg entschieden war, war die Berner Stadtregierung gespalten: Ein Teil wollte weiter Widerstand leisten, ein anderer vor der Übermacht kapitulieren.
Nachdem sich am 4. März zuerst die Friedenspartei durchsetzte und gegen Mittag eine Kapitulationsurkunde unterzeichnete, drehte sich bis Abend die Stimmung in der Stadt.
Von der Front zurückkehrende Soldaten forderten Widerstand und stießen damit bei der Bürgerschaft auf Sympathie.
So unter Druck geraten, wies der Stadtrat die verbliebenen Truppen an, zu kämpfen.
Doch trotz kleinen Erfolgen waren die Franzosen bis zum 5. März 1798 auf Kanonenschussweite an die Stadt Bern (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten) herangerückt.
Erst dann gelang es der Friedenspartei, die neu datierte Kapitulationsurkunde an die Angreifer abzuschicken.
Damit bewahrte sie die Stadt zwar vor der Bombardierung, aber nicht den Stadtstaat Bern und die Eidgenossenschaft vor dem Untergang.
Was wäre gewesen, wenn Bern 1798 länger Widerstand geleistet hätte?
12. 1815: Die chaotische Restauration
Nach der Auflösung der alten Eidgenossenschaft entstanden verschiedene Staaten in der heutigen Schweiz. Allen war gemeinsam, dass sie sich als Gegenentwurf zum alten Regime verstanden und sich unter französischem Druck bildeten.
Als dieser Druck durch die Niederlage Napoléons in den Befreiungskriegen wegfiel, kam es in der Schweiz zu ersten Versuchen einer totalen Restauration der alten oligarchischen Herrschaftsformen sowie der vorherigen Kantonsgrenzen.
Dies stieß bei den neuen Kantonen sowie den Profiteuren der bisherigen Reformen auf Widerstand.
Zeitweise gab es zwei Tagsatzungen: Eine der Restauration – einem Wiederaufleben der alten dreizehnortigen Eidgenossenschaft verpflichteten – von Österreich unterstützten Versammlung. Und eine unter der Führung von Zürich und aus den neuen Kantonen, die mit russischer Unterstützung ein neues Bündnis der 19 Kantone gründen wollten.
Erschwerend kam hinzu, dass sich die europäischen Mächte auf dem „Wiener Kongress“ selbst nicht einigen konnten. Zumal die Schweizer Delegation mit internen Streitigkeiten beschäftigt war.
Nur die kurzzeitige Rückkehr Napoléons (siehe Bild unten) von Elba und der dauerhafte Druck der europäischen Mächte verhinderten einen Schweizer Bürgerkrieg und sorgen schließlich für Lösungen.
So schloss sich Genf endgültig der Schweiz an, was durch territoriale Zugeständnisse von Savoyen und Frankreich erleichtert wurde.
Das wichtigste Ergebnis war aber, dass die neuen Kantone wie das Waadt am Genfer See erhalten blieben.
Ein neuer Bündnisvertrag von 1815 erlaubte es dagegen den alten Kantonen ihre restaurativen Verfassungen zu behalten. Der neue Schweizer Bund blieb relativ locker und besaß nur in der Außen- sowie Verteidigungspolitik mehr Kompetenzen.
So gelang ein Kompromiss, der die Schweiz als neutralen Pufferstaat erhielt, die inneren Konflikte zwischen und innerhalb der Kantone aber nicht löste.
Was wäre gewesen, wenn sich 1815 kein Kompromiss für die Schweiz gefunden hätte?
13. 1847: Der unblutige Sonderbundkrieg
Die Konflikte zwischen verschiedenen liberalen und konservativen Strömungen verschärften sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte.
Insbesondere entzündeten sie sich drei Punkten:
- an der Frage der Berufung der Jesuiten in das Bildungssystem verschiedener Kantone
- an der Auflösung von eigentlich verbotenen, aber bestehenden Bündnissen zwischen den Kantonen
- an einer generellen Revision des Bundesvertrages
Als nach einigen knappen Wahlerfolgen eine liberale Mehrheit der Tagsatzung den „Sonderbund“ aus mehrheitlich katholisch-konservativen Kantonen (siehe Karte unten) auflöste, kam es zum Krieg zwischen beiden Gruppierungen.
Dass dieser Krieg relativ schnell und unblutig verlief, war vor allem dem von der Tagsatzung bestimmten Oberbefehlshaber Guillaume-Henri Dufour zu verdanken.
Er hatte sich bei seiner Wahl gegen den ehemaligen Anführer liberaler Freischaren, den Berner Ulrich Ochsenbein, durchgesetzt.
Als reformorientierter Konservativer galt der Genfer Dufour als verdienstvoller Offizier und politisch gemäßigt.
Entsprechend betonten seine Tagesbefehle an die Truppen gegen den Sonderbund die Zurückhaltung gegenüber den dortigen Miteidgenossen und den Respekt gegenüber deren Religion.
Seine behutsame Strategie sorgte dafür, dass der Konflikt vergleichsweise unblutig verlief. Gleichzeitig wurde er so rechtzeitig siegreich beendet, bevor ausländische Mächte wie Österreich eingriffen.
Dieser Ausgang war die Grundvoraussetzung für die neue Bundesverfassung der Schweiz, die 1848 verabschiedet wurde und bis heute die Grundlage des Staates bildet.
Was wäre gewesen, wenn der "Sonderbundkrieg" blutiger und länger verlaufen wäre?
14. 1848: Die erste Bundesstadt der Schweiz
Der neu geschaffene Bundesstaat machte die Wahl einer Bundesstadt nötig, die die zentralen Behörden beherbergen sollte.
Zuerst war umstritten, ob überhaupt eine Kantonshauptstadt infrage kommen könnte. Daher waren zuerst Kleinstädte wie Zofingen oder der komplette Neubau einer Stadt in der Diskussion.
Am Ende blieben aber drei größere Kantonshauptstädte übrig, aus denen die Bundesversammlung am 28. November 1848 auswählen sollte:
- Luzern hatte als Vorteil die zentrale Lage in der Schweiz und den Status eines ehemaligen Sonderbundgebietes, das mit der Bundesstadt für den neuen Bund gewonnen werden konnte. Allerdings galt die nach wie vor ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber der neuen Verfassung als Nachteil.
- Zürich konnte auf eine gute Infrastruktur bei Gebäuden und Verkehrsanbindung verweisen sowie auf seine bereits bestehende kosmopolitische Mentalität. Als bereits sehr starkes Bevölkerungs- und Wirtschaftszentrum der Schweiz wollten viele Kantone aber die Stadt nicht weiter aufwerten.
- Bern hatte seine Grenzlage zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz als Vorteil und war unter militärischen Gesichtspunkten am sichersten. Zudem versprach die Stadt, die Räumlichkeiten für den Bund unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Am Ende setzte sich Bern bereits im ersten Wahlgang mit 58 Nationalräten und 21 Ständeräten gegenüber Zürich mit 35 und 13 Stimmen sowie Luzern mit sechs und drei Stimmen durch.
Als Ausgleich bekam Zürich die zu gründende eidgenössische Hochschule und Luzern ebenfalls Bundeseinrichtungen.
Bern erhielt als Sitz des Bundesrats, der Departemente (Ministerien) und der Bundeskanzlei sowie der Bundesversammlung (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten) die meisten zentralen Organe des Landes.
Ein Status, den Bern bis heute behalten hat, auch wenn die Bundesversammlung theoretisch auch an anderen Orten tagen kann.
Wie hätte sich die Schweiz entwickelt, wenn die Debatte um die Bundesstadt zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre?
15. 1856: Der fast eskalierte „Neuenburgerhandel“
Neuenburg hatte seit dem Wiener Kongress eine staatsrechtliche Doppelrolle, die für Konflikte sorgte.
Einerseits war es seit 1707 als Fürstentum Besitz der preußischen Könige, andererseits seit 1815 Kanton der Schweiz.
Dieses Konstrukt führte bis 1848 zu vielen Konflikten zwischen Republikanern und Monarchisten in der Bevölkerung.
1848 stürzten zwar erfolgreich Republikaner die monarchistische Regierung. Die neue Republik hatte aber mit einer starken monarchistischen Opposition zu kämpfen, die von Preußen unterstützt wurde.
1856 versuchten Monarchisten einen Gegenputsch mit dem Sturm auf das Neuenburger Schloss (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten). Dieser scheiterte aber und 500 Monarchisten wurden gefangen genommen.
Danach begann der sogenannte „Neuenburgerhandel“ schnell zu eskalieren.
Der preußische König Friedrich Wilhelm IV., der nie auf seine Ansprüche verzichtet hatte, forderte die Freilassung der Gefangenen. Der ebenfalls involvierte Schweizer Bundesrat wollte diesem aber nur zustimmen, wenn der König auf Neuenburg verzichtete.
Als Preußen darauf nicht einging und auch erste Vermittlungsversuche von Frankreich sowie Großbritannien scheiterten, drohte Krieg.
Am 13. Dezember 1856 brach Preußen die diplomatischen Beziehungen zur Schweiz ab und beschloss eine Generalmobilmachung seiner Armee für den 1. Januar 1857.
Die Schweiz reagierte darauf mit der Mobilisierung von zwei Divisionen und die Bundesversammlung wählte am 27. Dezember General Guillaume Henri Dufour wieder zum Oberbefehlshaber der Armee sowie am 30. Dezember den Bundesrat Friedrich Frey-Herosé zum Generalstabschef.
Beide Seiten hatten bereits konkrete Kriegspläne: Während die Schweizer Armee nördlich von Schaffhausen eine vorgeschobene Verteidigungslinie auf dem Gebiet des Großherzogtums Baden aufbauen wollte, plante der preußische General Karl von der Groeben eine Offensive Richtung Bern.
Kurz vor der preußischen Mobilisierung gelang jedoch dem französischen Kaiser Napoléon III. ein diplomatischer Durchbruch. Er erreichte von Preußen eine Verschiebung der Mobilisierung, vom Bundesrat anschließend die Zusage einer Freilassung der Gefangenen und als Reaktion darauf wiederum eine Annullierung der preußischen Mobilisierung.
Im Mai 1857 verzichtete schließlich Friedrich Wilhelm IV. endgültig auf Neuenburg, behielt aber den Titel eines Fürsten von Neuenburg.
Was wäre gewesen, wenn der "Neuenburgerhandel" zum Krieg eskaliert wäre?
16. 1914: Die umstrittene Wahl von General Ulrich Wille
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, musste die Schweiz ihre Armee zur Sicherung der Neutralität mobilisieren und neue Oberbefehlshaber wählen.
Dabei trafen bei der Wahl am 3. August 1914 zwei unterschiedliche Charaktere aufeinander.
Einerseits der Züricher Ulrich Wille, der sich als fähiger Militärinstrukteur und -publizist einen Namen gemacht hatte. Aufgrund seiner Sympathien für das Deutsche Reich und seine an der preußisch-deutschen Ausbildung orientierten Methoden war er aber bei den französischsprachigen und sozialdemokratischen Schweizern umstritten.
Andererseits der Graubündner Theophil Sprecher von Bernegg, der neben einer beruflichen auch eine glänzende militärische Karriere vorzuweisen hatte. Er galt im Vergleich zu Wille als introvertierter und weniger umstritten.
Obwohl Sprecher von Bernegg zuerst die Stimmenmehrheit der Bundesversammlung hinter sich hatte, gelang es Wille, mithilfe einer Pressekampagne und einer Intervention des Bundesrats seinen Gegner zum Verzicht zu bringen. Sprecher von Bernegg wurde stattdessen Generalstabschef.
Trotz ihrer persönlichen Differenzen arbeiteten beide danach für die gesamte Kriegszeit nach außen hin reibungslos zusammen.
Auch waren sie sich in bei den umstrittenen Themen nach außen einig: So deckten beide in der sogenannten „Obersten-Affäre“ im Jahr 1916 Offiziere des Schweizer Nachrichtendienstes, die Informationen an die Mittelmächte weitergegeben hatten.
Während aber ein Austausch Sprecher von Berneggs in der Vorkriegszeit über eine Zusammenarbeit mit den Mittelmächten im Falle eines französischen Angriffs geheim blieb, berichtete die Schweizer Presse 1915 über den Vorschlag Willes, an der Seite der Mittelmächte in den Krieg einzutreten.
Auch das harte und autoritäre Auftreten von Wille im Landesstreik kurz vor Kriegsende 1918 trug dazu bei, die politischen und sprachlichen Konflikte in der Schweiz zu verschärfen.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges traten sowohl Ulrich Wille als auch Theophil Sprecher von Bernegg zurück.
Wie hätte sich die Schweiz im Ersten Weltkrieg entwickelt, wenn Theophil Sprecher von Bernegg statt Ulrich Wille 1914 zum Oberbefehlshaber der Schweizer Armee gewählt worden wäre?
17. 1940: Das verschobene „Unternehmen Tannenbaum“
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, mobilisierte die Schweiz erneut ihre Armee zur Aufrechterhaltung der Neutralität.
Jedoch befand sich die Schweiz 1940 nach der Niederlage Frankreichs in einer prekären Lage. Denn sie war komplett vom Deutschen Reich und seinen Verbündeten umschlossen.
Zudem gab es erhebliche Spannungen zwischen beiden Ländern. Neben der Stellung von nationalsozialistischen Organisationen im neutralen Land lag dies an vor allem an zwei Ereignissen.
Zum einen fielen der vorrückenden Wehrmacht in Frankreich Unterlagen in die Hände, die Absprachen über eine Zusammenarbeit zwischen französischer und Schweizer Armee im Falle eines deutschen Angriffs belegten.
Zum anderen gab es während des Westfeldzugs mehrfach Verletzungen des Schweizer Luftraums durch deutsche Flugzeuge, bei denen elf von der Schweizer Luftwaffe abgeschossen wurden. Dies führte zu massiven Drohungen des Deutschen Reiches an die Schweiz.
Ab dem 23. Juni 1940 befahl Adolf Hitler sogar das Ausarbeiten eines Angriffsplanes gegen das letzte verbliebene, unbesetzte Nachbarland. Dieser Plan erhielt im Oktober den Decknamen „Unternehmen Tannenbaum“.
Die an der deutsch-schweizerischen Grenze aufmarschierte 12. Armee sollte dabei das Schweizer Mittelland erobern und die Schweizer Armee dort zerschlagen. Von Süden sollten parallel italienische Streitkräfte in den Alpenraum vorrücken.
Der Oberbefehlshaber der Schweizer Armee, Henri Guisan, reagierte auf diese neue Lage mit einer veränderten Verteidigungsstrategie. Zentraler Bestandteil war das Réduit.
Damit gemeint war eine zentrale Verteidigungsstellung in den Alpen von den Kantonen Wallis bis Schwyz (siehe auf der Karte blau unterlegt). Diese stützte sich auf die bereits zuvor ausgebauten Festungssysteme von Gotthard (im gleichnamigen Gebirgszug in der Mitte des blauen Bereichs), Saint-Maurice (Genfer See bis Großer St. Bernhard) und Sargan (Kanton St. Gallen an der Grenze zu Österreich).
Diese letzte Befestigung als Rückzugsort für die Schweizer Armee und den Bundesrat diente vor allem der Abschreckung.
So sollte vor allem die bei einem Angriff angedrohte Zerstörung der strategisch wichtigen Nord-Süd-Verkehrsverbindungen die Achsenmächte von einer Invasion abhalten.
Daneben gab es eine breite Kollaboration auf wirtschaftlichem und finanzpolitischen Gebiet zwischen der Schweiz und dem Dritten Reich. Diese machte den unabhängigen Status des Landes wertvoller für die Nationalsozialisten als eine Invasion.
Adolf Hitler selbst schwankte häufig in seiner Einschätzung zur Schweiz und verschob den Angriffsbefehl für „Unternehmen Tannenbaum“ mehrfach. Zusätzlich kam es zu Meinungsverschiedenheiten mit dem italienischen Diktator Mussolini über die Aufteilung der Schweiz.
Aber erst die Angriffe in Nordafrika und die Invasion der Sowjetunion im Jahr 1941 führten zu einem endgültigen Ende der deutschen Angriffsplanungen.
Eine Warnung des Schweizer Nachrichtendienstes vor einer deutschen Invasion im März 1943 – der sogenannte „Märzalarm“ – erwies sich nur noch als Fehlalarm.
Dennoch entwickelte sich vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Réduit zu einem nationalen Mythos der Schweiz. Es verkörperte vor allem für die darin stationierten (wehrpflichtigen) Soldaten den Verteidigungswillen einer unabhängigen Schweiz.
Wie hätte sich eine durchgeführte "Operation Tannenbaum" gegen die Schweiz entwickelt?
18. 1963: Die theoretischen Atomwaffenpläne der Schweiz
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschäftigte sich die Schweizer Armee mit der Möglichkeit einer Atombewaffnung.
Die Untersuchung dieser Fragen war Teil der 1946 offiziell eingesetzten „Studienkommission für Atomenergie“. 1953 bis 1955 kaufte die Schweiz sogar unter größter Geheimhaltung zehn Tonnen Uran, davon die Hälfte als mögliche Reserve zum Bau von Atomwaffen.
Debatten in Offizierskreisen führten 1957 zur Forderung nach Atomwaffen (siehe Bild unten) für die Armee und ein Jahr später befürwortete auch der Bundesrat die atomare Aufrüstung.
Zwar gab es zeitgleich ersten Widerstand in der Bevölkerung. Aber Volksinitiativen für ein Verbot von Atomwaffen oder ein Mitspracherecht des Volkes bei deren Beschaffung scheiterten deutlich.
Erst 1963 änderte sich offizielle Haltung der Schweiz bei diesem Thema, als das Land das temporäre Atomteststoppabkommen unterzeichnete. Vor diesem Hintergrund wechselte der Bundesrat auf eine Linie der Nicht-Verbreitung von Atomwaffen.
Obwohl die Schweiz 1969 auch den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnete, der erst 1976 im Ständerat beschlossen wurde, hielt sich der Bundesrat für den Fall eines Scheiterns des Vertrages eine Atombewaffnung weiter offen.
So gab es ab 1969 einen „Arbeitsausschuss für Atomfragen“ der Generalstabsabteilung, der entsprechendes Wissen sicherstellen sollte.
Erst 1973 erwähnte der „Bericht über die militärische Landesverteidigung“ die Atombewaffnung nicht mehr als Option und erst in den 1980er Jahren wurden die entsprechenden Pläne endgültig vernichtet.
Was wäre gewesen, wenn die Schweiz vor 1963 Atomwaffen hergestellt hätte?
19. 1974: Die knappe Schaffung des Kantons Jura
Die französischsprachigen Teile des Kantons Bern waren seit den 1950er Jahren in einem Sprachenkonflikt beteiligt, bei dem das „Rassemblement Jurassien“ die Abspaltung und einen neuen Kanton Jura forderte.
Der Hintergrund war allerdings älter: Diese Gebiete gehörten erst seit 1815 als Ersatz für verlorene Gebiete im Waadt zum Kanton Bern. Sie waren französischsprachig und im Nordteil im Gegensatz zu Bern auch mehrheitlich katholisch.
Die örtliche Bevölkerung stand jedoch nicht komplett hinter den Separatisten, die oftmals durch Gewalttaten Aufmerksamkeit für ihre Anliegen suchte. Die Bruchlinie zog sich vor allem durch das Jura-Gebiet entlang der Konfessionsgrenze.
So kam es erst 1970 zu einer Abstimmung im Kanton Bern, die mit weiteren Volksabstimmungen eine legitime Separation und Neubildung des Juras ermöglichten.
1974 stimmte aber nur eine knappe Mehrheit der sieben Amtsbezirke des Berner Juras diesem neuen Kanton zu.
So lehnten große Teile der südlichen Amtsbezirke, teilweise mit 60 Prozent Stimmen, die Neubildung ab und wurden deshalb nicht dem neuen Kanton angegliedert.
Dennoch zog sich die Lösung für einzelne Gemeinden bis in die heutige Zeit (2021) hin.
Was wäre gewesen, wenn die Volksabstimmung für den Kanton Jura knapp gescheitert wäre?
Quellen und Literatur
- GEO Epoche: Schweiz. Die bewegte Geschichte der Eidgenossenschaft 1291-2021. April 2021.
- Ernst Grell: Escalade, in: hls-dhs-dss.ch (26.11.2009).
- Rudolf Jaun: Ulrich Wille, in: hls-dhs-dss.ch (04.11.2013).
- Thomas Maissen: Geschichte der Schweiz. Baden/Schweiz 2010 (Reclam Sachbuch premium).
- Thomas Maissen: Geschichte der Schweiz. Baden/Schweiz 2022.
- Elmar Meier: Genf (Gemeinde), in: hls-dhs-dss.ch (07.02.2018).
- Elmar Meier: Zweiter Weltkrieg, in: hls-dhs-dss.ch (11.01.2015).
- Volker Reinhardt: Geschichte der Schweiz. München 2019.
- Hans Senn: Réduit, in: hls-dhs-dss.ch (20.08.2010).
- Daniel Sprecher: Theophil Sprecher von Bernegg, in: hls-dhs-dss.ch (24.07.2015).
- Rita Stöckli: Neuenburgerhandel, in: hls-dhs-dss.ch (15.06.2020).
- François Walter, Marco Zaloni: Historischer Atlas der Schweiz. Zürich 2022.
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