Was wäre gewesen, wenn Adolf Hitler 1919 ausgewandert und Science-Fiction-Autor geworden wäre? Die Antwort ist eine Mischung aus nationalsozialistischer Utopie und schriftstellerischer Satire.

Ankerpunkt

Der Adolf Hitler von 1919

Anfang des Jahres 1919 war der frisch dem Ersten Weltkrieg entkommene Gefreite Adolf Hitler (auf dem Bild unten links) zwar noch kein Nationalsozialist.

Foto von Weltkriegssoldaten, links unten davon Adolf Hitler
(Everett Collection/Shutterstock)

Doch im Laufe des Jahres bildete er eine politische Ideologie aus, den späteren Nationalsozialismus.

Kern war die Verschmelzung von Antisemitismus und Antikapitalismus mit dem Rassenwahn.

Diese Ideologie schrieb er 1924 im Buch „Mein Kampf“. Dort legte Hitler auch das Konzept eines „Kampfes um Lebensraum im Osten“ dar.

Zur gleichen Zeit entstanden mit der „Sturmabteilung“ (SA) und der „Schutzstaffel“ (SS) Organisationen zum Schutz von Veranstaltungen und der Parteiführung. Die SA agierte allerdings primär als Schlägertruppe gegen politische Gegner.

Vor allem die SA entwickelte sich durch flächendeckenden Gewalteinsatz und steigende Mitgliederzahlen zu einem Machtfaktor innerhalb der Nationalsozialisten.

Das „Millionenheer“ der SA entwickelte sich nach der nationalsozialistischen „Machtübernahme“ aber zur Gefahr für Adolf Hitler und das reguläre Militär.

Daher entmachtete Hitler die SA 1934 zugunsten der elitäreren SS und ließ die SA-Spitze um Ernst Röhm ermorden.

Als Vorwand diente die Homosexualität von Röhm und einigen seiner Vertrauten. Denn die Nationalsozialisten pflegten zwar einen reinen Männerbund. Sie blieben aber immer homophob und propagierte einen intensiven Gewaltkult.

Dass die von Adolf Hitler entwickelten Ideologie die Beherrschung der Welt wollte, zeigte sich während des Zweiten Weltkriegs.

Zuerst überfiel und unterwarf das Dritte Reich Polen, danach die Benelux-Länder und den Balkan.

Dies war jedoch nur die Vorbereitung für den Angriff auf die Sowjetunion. Diese galt als kommunistischer Erzfeind und von Juden gesteuert.

Daher stand bis Kriegsende und bis zum Selbstmord Hitlers 1945 das Ziel einer Vernichtung der Sowjetunion und der Juden.

Das goldene Zeitalter der Science-Fiction

Zur gleichen Zeit, in der Hitler seine Ideologie aufbaute, begann in den USA das erste goldene Zeitalter der Science-Fiction.

Dieses Genre war zwar bereits im 19. Jahrhundert mit Jules Verne („Die Reise zum Mond“) oder H.G. Welles („Krieg der Welten„) entstanden.

Doch erst in den 1920ern und 1930ern entwickelte sich Science-Fiction das erste Mal zu einem Massenphänomen.

Hintergrund war nicht nur eine stärkere Technologisierung der Gesellschaft, was Technik zunehmend zum Thema in der Literatur machte.

Auch gab es erstmals reine Science-Fiction-Magazine, die billig für den Massenmarkt produzierten. Als ein Beispiel galt das 1926 gegründete „Amazing Stories“. Nach dessen Gründer, Hugo Gernsback, ist daher einer der wichtigsten Preise des Genres benannt.

Die meisten Magazine waren allerdings pseudowissenschaftliche Massenliteratur ohne großen Anspruch. Für diese entwickelte sich der Ausdruck „Pulps“, der vom billigen Papier der Hefte herrührte.

Wenig überraschend war das Genre stark von Männern geprägt, sowohl bei den Autoren als auch in den Geschichten.

Häufig standen technische Durchbrüche und Schlachten im Vordergrund. Dagegen waren die Charaktere eher holzschnittartig und Geschichten vorhersehbar geschrieben.

So gaben die „Pulps“ Frauen meistens nur eine „dekorative“ Rolle vor dem Hintergrund der Technik (siehe Bild).

Poster mit einer Frau im Motiv der Science Fiction der 1920er und 1930er Jahre
(Weiesnbach/Shutterstock)

Zwar gab es bereits ab den 1930ern erste Versuche, Science-Fiction als ernsthafte Literatur zu etablieren. So schrieben bereits spätere hoch ausgezeichnete Autoren wie Robert A. Henlein und Isaac Asimov.

Der Durchbruch für eine ernsthafte Science-Fiction-Literatur kam jedoch erst mit den Werken in den 1960er Jahren.

Inhalt

Der Science-Fiction-Autor Adolf Hitler

Die Geschichte beginnt mit einer kurzen Vorstellung des Autors Adolf Hitler.

Dieser war 1919 enttäuscht von den rechtsradikalen Bewegungen in Deutschland nach New York ausgewandert. Dort hatte er sich ab den 1930er Jahren eine Existenz als Illustrator für Science-Fiction-Magazine aufgebaut.

Ebenfalls war er als Autor von Kurzgeschichten und Romanen im gleichen Genre bekannt. Sein bekanntester Roman war der folgende „Der Herr des Hakenkreuzes“, den er kurz vor seinem Tod 1953 vollendete.

Dieser Roman erhielt 1955 den renommierten „Hugo Gernsbeck Award“. Die auf der Geschichte basierenden Kostüme werden seitdem auf Conventions gerne getragen.

Der Herr des Hakenkreuzes

Die Geschichte folgt der Hauptfigur Feric Jagger.

Dieser lebt in einer Welt, in der es nach einer atomaren Apokalypse verschiedene mutierte Menschenarten gibt.

Feric gilt als „reiner“ Mensch, der aus seinem Geburtsort Borgravia in die Großrepublik Heldon auswandern will.

Denn Heldon gilt als einziger Staat, der durch harte Rassengesetze die „reine“ nicht-mutierte Menschenrasse bewahrt.

Als seine Feinde sieht Feric sogenannte Dominatoren, die andere Menschen oder Mutanten ihrem Willen unterwerfen können.

Als er an der Grenze zu Heldon einen Dominator erkennt und mithilfe von anderen Heldonern erledigt, zeigte er erstmals seine Qualitäten als „Führer“.

Er übernimmt die „Partei der menschlichen Wiedergeburt“ und unterwirft eine Bande von Motorradstraßenräubern.

Dabei erringt er auch das Zepter der Könige von Heldon, dass ihn als Mitglied von deren „rassischer“ Blutlinie auszeichnet.

Mit den umbenannten „Söhnen des Hakenkreuzes“ als Partei und den „Rittern des Hakenkreuzes“ als Schlägertruppe erobert er zuerst die Macht in Heldon.

Sofort baute er das Land in eine Führer-Diktatur um und rüstet die Armee auf, um gegen die in Zind lebenden Dominatoren zu kämpfen.

Dafür unterwirft er die Bevölkerung einer rigorosen Rassenpolitik, um sogar Übermenschen „züchten“ zu können.

So aufgerüstet unterwirft Heldon die Nachbarländer. Deren mutierte Bevölkerung lässt Feric zuerst in Rassen-Untersuchungslager sperren und nach einer genetischen Überprüfung auslöschen.

Zuletzt greift er Zind an und zerschlägt dessen Streitkräfte in einer gigantischen Schlacht.

Nach der Zerstörung aller anderer Staaten sowie der Ausrottung von Mutanten und Dominatoren, scheint er am Ziel zu sein.

Doch die Dominatoren rächen sich mit einem gigantischen Atomschlag.

Am Ende gelingt es Feric aber, Übermenschen künstlich zu züchten und diese sogar zu den Sternen zu schicken.

Die fiktive Rezension

Im Jahr 1959 rezensiert Homer Whipple den Roman in einem Nachwort für die zweite Auflage.

Er verweist auf die Popularität des Autors Hitler unter Science-Fiction-Fans sowie die Übernahme von Motiven des Romans in verschiedene antikommunistische Gruppierungen der USA.

Für ihn ist dieses Phänomen unerklärlich, da der unbegabte Hitler den Roman in nur sechs Wochen geschrieben hatte. Zudem hatte der Autor schon unter heftigen Stimmungsschwankungen wegen einer Syphilis-Infektion gelitten.

Zwar lobt er „Den Herrn des Hakenkreuzes“ für seine bildhafte Sprache, kritisiert aber sonst den Stil.

So moniert er die phallischen Anspielungen, zum Beispiel in Form des Grußes mit erhobener rechter Hand sowie den Fetischismus für Uniformen und Massenaufmärsche.

Nach Whipper würden sich reale Menschenmassen kaum davon emotional bewegen lassen.

Solche Kunstwerke gewähren uns einen beängstigenden Einblick in eine verderbliche Realität, die glücklicherweise außerhalb unserer persönlichen Erfahrung liegt.

Homer Whipple

Weiter kritisiert er die Fixierung auf Rasse, Männerbünde, technologische Fortschritte und Gewaltphantasien.

Whipple bezeichnet den Roman als krasses Beispiel von „pathologischer Literatur“. Diesen Stil erklärt er mit Hitlers Antikommunismus seit dessen Zeit bei den Nationalsozialisten und der Welt der 1950er Jahre, in der die Sowjetunion ganz Eurasien beherrscht.

Über den Grund für die Vernichtungsphantasien gegenüber Mutanten und Dominatoren rätselt Whipple. Er vermutet kurz, dass mit den Dominatoren die Juden gemein sind, verwirft diesen Gedanken aber als unrealistisch und ebenso wie die Möglichkeiten von Konzentrationslagern (siehe Bild).

Foto des Eingangs zum Konzentrationslager Auschwitz
(rafaelcavlaz/Shutterstock)

Da nur noch die USA und Japan gegen die Sowjetunion stehen, gibt Whipple zu, dass der Sieg von Heldon bei vielen Lesern Sehnsüchte weckt. Zumal mit Feric Jagger ein makelloser Führer auftrete, nach dem sich viele sehnten.

Doch am Ende lautet sein Fazit, dass Hauptfigur und Handlung viel zu soziopathisch und pathologisch wären, um jemals in der Realität aufzutreten.

Rezension

Die Utopie des Adolf Hitler

„Der stählerne Traum“ von Norman Spinrad beziehungsweise „Der Herr des Hakenkreuzes“ eines fiktiven Autors Adolf Hitler erweist sich als „realistische“ Utopie.

Ausgehend von der Ideologie des „realen“ Adolf Hitlers ist es plausibel, dass dieser als Science-Fiction-Autor eine solche Geschichte geschrieben hätte.

Denn es finden sich dort alle Elemente des Nationalsozialismus.

Die „reinen“ Menschen sind allen Mutanten und den Dominatoren körperlich und geistig überlegen, ähnlich den „Herrenmenschen“ der Nationalsozialisten.

Feric Jaggar erweist sich als „natürlicher“ Anführer, der durch sein Blutrecht Heldon unterwirft und zur Verkörperung von dessen „Volkswillen“ und „Rassegedanken“ wird.

In einer ähnlichen Rolle sah sich Adolf Hitler als „Führer“.

Die „Söhne des Hakenkreuzes“ als Partei der „reinen“ Menschen, die „Ritter des Hakenkreuzes“ als deren Schutz- und Schlägertruppe finden ihre Entsprechungen in der NSDAP sowie der SA.

Bei der SS machte sich Norman Spinrad nicht einmal die Mühe, eine andere Bezeichnung für die Elitetruppe Feric Jaggars zu schaffen.

Alle Figuren und „reinen“ Menschen richten sich immer mehr auf Feric Jaggar aus und finden ihre Erfüllung als homogene Masse in der Ausführung seiner Rassepläne.

Hier findet sich klar das nationalsozialistische Motto „Du bist nichts, Dein Volk ist alles!“.

Nur wenige Verräter unter den „Rittern des Hakenkreuzes“ werden, wie Ernst Röhm und die SA-Spitze (siehe Bild) 1934, ermordet.

Foto von marschierenden Nationalsozialisten in den 190er Jahren
(Everett Collection/Shutterstock)

Alle „Menschenrassen“ außerhalb der „rechten“ Menschen werden im Laufe von „Der stählerne Traum“ in Lagern aussortiert und dort ermordet.

Die Parallele zu den Konzentrationslagern ist offensichtlich bis zu den Stacheldraht umzäunten Baracken.

Die ganze Geschichte von „Der Herr des Hakenkreuzes“ dreht sich um den „Endkampf“ gegen die von den Dominatoren gesteuerten Mutantenhorden von Zind.

Das Unterwerfen der anderen Länder in „Blitzkriegen“ ist dafür lediglich die Vorbereitung.

Dieser Krieg endet im „Endsieg“ und der Vernichtung allen Lebens in Zind sowie der Dominatoren.

Auch hier ist das reale Beispiel des Zweiten Weltkriegs und vor allem des „Rassenkrieges“ gegen die „jüdisch kontrollierte“ Sowjetunion von 1941 bis 1945 klar vor Augen.

Das Utopische im Roman kommt also nicht zu kurz und scheint wirklich aus dem Kopf von Adolf Hitler entsprungen.

Die Satire des Norman Spinrad

Dagegen erscheint mir der satirische Aspekt in „Der stählerne Traum“ etwas zu kurz.

Er klingt am Beginn bei der fiktiven Autorenbeschreibung von Adolf Hitler etwas an.

Doch erst am Ende bei der fiktiven Rezension von Norman Spinrad in Gestalt von Homer Whipple dringt sie wirklich durch.

In „Der Herr des Hakenkreuzes“ findet sich die Satire dagegen nur in den Übertreibungen der Geschichte.

Zwar ist klar, dass Heldon eine Parallele zu Deutschland, Feric Jaggar zu Adolf Hitler sowie weitere Figuren zu realen Personen wie Herman Göring oder Ernst Röhm sind.

Ob allerdings jeder Leser die Satire darin erkennt, dass diese realen Vorbilder in „Der stählerne Traum“ in buchstäblich übermenschliche Höhen erhoben werden, bezweifele ich.

Noch stärker übertreibt Norman Spinrad den Siegeszug von Feric Jaggar und seiner „reinen Menschen“ im Roman.

So wird aus einer undisziplinierten Motorradgang in wenigen Tagen eine Sturmtruppe, die sich diszipliniert und vollkommen nach dem Willen von Jaggar dessen Gegner bekämpft.

Nach der Machtübernahme unterwirft sich das Volk bereitwillig, qua „Rasse“ dem Willen des „Führers“, bis zur freiwilligen Sterilisation.

Auch die Kriege verlaufen satirisch überspitzt.

Dank binnen weniger Monate entwickelter „Wunderwaffen“, der überlegenen Planung des „Führers“ und der natürlichen, da „rassischen“ Überlegenheit der „reinen Menschen“ sind die Kämpfe zwar blutig, aber der Sieg ist nie in Gefahr.

Erkennt der Leser die Satire aber nicht, ist der Inhalt aus meiner Sicht brandgefährlich, da rassistische Gedanken die Grundlage des Romans bilden.

Provokativ gesprochen, kann ein Nazi einfach den Mittelteil lesen, um eine ihm sympathische Geschichte zu haben.

Daher wundert es mich nicht, dass die Veröffentlichungsgeschichte von „Der stählerne Traum“ zuerst von einem Kampf gegen die Indexierung geprägt war.

Die Satire wird vollends klar in der Rezension.

Sehr gut ist das Szenario, in dem der Rezensent einer Alternativwelt die „reale“ nationalsozialistische Ideologie und Umsetzung als kompletten Wahnsinn brandmarkt, der gerade einmal für Schundliteratur taugt.

Homer Widdle hält Hitler für verrückt, nimmt ihn aber nicht mal als Science-Fiction-Autor ernst.

So geißelt er die Grundlagen des Romans als Beispiel für die „Pulps“ in der Science-Fiction der 1920er und 1930er.

Auch spießt er genüsslich, wie in der „realen“ Geschichte die Gegner Hitlers, die diversen Fetische, zum Beispiel zu Uniformen oder Männerbünden bis zur Homoerotik, auf.

Buchcover Der Stählerne Traum
Mit „Der stählerne Traum“ liefert Norman Spinrad tatsächlich einen satirisch-utopischen Science Fiction Roman. (Eigenes Bild)

Norman Spinrad steigert die Satire noch durch den Hinweis, dass in der Alternative History von „Der eiserne Traum“ die Alternative History von „Der Herr des Hakenkreuzes“ durchaus beliebt ist.

Sei es durch Crossplay der Fans oder durch die Sehnsucht nach einem starken Führer angesichts der kommunistischen Bedrohung.

So ist es Norman Spinrad mit „Der eiserne Traum“ nicht nur gelungen, eine Alternative History in eine Alternative History zu stecken, sondern auch eine Satire in der Satire zu verstecken.

Daher empfehle ich das Buch, wenn auch unter Vorbehalten, gerne weiter.

Nachtrag in eigener Sache: Vorsicht vor rechten Auslegern

Leider auch hier nachträglich ein Hinweis in eigener Sache.

Die Ausgabe von „Der stählerne Traum“ aus dem Jahr 2014 führte mich nach Recherchen bei einem anderen Buch wieder zu einem Verlag, der nach meinem Kenntnisstand auch für rechte Auslegungen des Alternative History Genres offen ist.

Daher verzichtete ich auf eine Nennung dieser Ausgabe im Quellen- und Literaturverzeichnis, empfehle aber gerne die Ausgabe von 1987 weiter. Diese ist allerdings nur noch antiquarisch zu erhalten.

Quellen und Literatur

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