Was wäre wenn... jemand einen Blog über Alternative History schreiben würde?

19 Punkte, an denen die Geschichte von Bayerisch-Schwaben und Augsburg anders gelaufen wäre

Der bayerische Regierungsbezirk Schwaben ist mehr als „nur“ der östliche Teil Schwabens. Er verfügt in seinen (historischen) Regionen über eine lange und vielfältige Geschichte. Mit enormem Potenzial für Alternative History.

Denn in seinen vier kreisfreien Städten Augsburg, Memmingen, Kaufbeuren und Kempten sowie den zehn Landkreisen haben sich über Jahrhunderte verschiedene Entwicklungen und Konflikte zwischen Bayern und Schwaben Bahn gebrochen.

Aktuelle Karte von Bayerisch-Schwaben mit von Norden nach Süden den kreisfreien Städten Augsburg, Memmingen, Kaufbeuren und Kempten sowie den LandkreisenDonau-Ries, Dillingen an der Donau, Augsburg, Aichach-Friedberg, Günzburg, Neu-Ulm, Unterallgäu, Ostallgäu, Oberallgäu und Lindau am Bodensee.
(Wikimedia Autor: TUBS/CC BY-SA 3.0)

Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal am 3. April 2022. Er wurde am 17. Februar 2023 und am 04. Februar 2024 überarbeitet.

Ankerpunkte

  1. 259/260: Die einschneidende Rücknahme des Limes
  2. 955: Die gescheiterte Belagerung von Augsburg
  3. 1167: Der ferne Tod von Welf VII.
  4. 1268: Der zersplitternde Tod von Konradin
  5. 1376: Die gescheiterte Belagerung von Ulm
  6. 1426: Die endgültige Reichsfreiheit von Augsburg
  7. 1525: Der schlichtende Vertrag von Weingarten
  8. 1525: Der trennende „Große Kauf“ von Kempten
  9. 1607: Die illegale Besetzung von Donauwörth
  10. 1626: Der folgenreiche „Neukomm-Aufstand“ in Lindau
  11. 1634: Die „gebriefte“ Schlacht bei Nördlingen
  12. 1702: Der risikoreiche Handstreich auf Ulm
  13. 1810: Der bayerisch-württembergische Pariser Vertrag
  14. 1843: Der umkämpfte Verlauf der „Ludwig -Süd-Nord-Bahn“
  15. 1919: Der kurzzeitige Traum von „Großschwaben“
  16. 1945: Die verhinderte Verteidigung von Nördlingen
  17. 1945: Das Kaufbeurer Neu-Gablonz
  18. 1947: Die selbstbewusste politische Siedlung Deiningen
  19. 1949: Die gescheiterte Gründung der Universität Augsburg

    Quellen und Literatur

1.259/260: Die einschneidende Rücknahme des Limes

Bis Mitte des 3. Jahrhunderts war das heutige Bayerisch-Schwaben als Provinz Rätien ein prosperierender Teil des Römischen Reiches. Ausgehend von Städten wie Cambodunum (Kempten) oder Augusta Vindelicum (Augsburg) bildete sich im Schutz des Obergermanisch-Raetischen Limes eine ausgefeilte Wirtschafts- und Infrastruktur aus.

Diese Zeit endete in der sogenannten Reichskrise des 3. Jahrhunderts. In dieser musste das geschwächte Römische Reich die bisherige Grenze (siehe Bild) zu germanischen Stämmen zurücknehmen.

Foto eines römischen Wachturms aus Holz mit Palisade davor.
(ThePhotoFab/Shutterstock)

Der nach seinen Grenzflüssen benannte Donau-Iller-Rhein-Limes bedeutete auch für Rätien einen großen Einschnitt. Städte wie Cambodunum, bisher im Hinterland der Provinz gelegen, waren auf einmal Grenzfestungen und mussten in besser zu verteidigende Flächen verlegt werden.

Die neue Grenze trennte über die Donau wie heute das danach alemannisch besiedelte Ulm (auf der Karte oben am westlichsten Punkt von Bayerisch-Schwaben) vom noch römisch gebliebenen Gebiet von Neu-Ulm.

Diese Rücknahme verhinderte jedoch nicht, dass vor allem der sich bildende Stamm der Alemannen immer mehr in die Provinz einsickerte. Teilweise als Invasoren und Plünderer, teilweise als angeworbene Grenzsoldaten und friedliche Siedler.

Wie hätte sich Räten entwickelt, wenn der Limes zu einem anderen Zeitpunkt zurückgenommen worden wäre?

2. 955: Die gescheiterte Belagerung von Augsburg

Aus dem Stamm der Alemannen entwickelte sich über die nächsten Jahrhunderte das Herzogtum Schwaben.

Neben den wechselnden Herzögen bildete sich die Bischofsstadt Augsburg als ein Machtzentrum dieses Gebietes heraus.

Dies zeigte sich bei den Einfällen der Ungarn, die erst in der bekannten Schlacht auf dem Lechfeld vor der Stadt beendet wurden.

Dass es so weit kam, lag daran, dass Augsburg unter dem Bischof Ulrich lange genug der Blockade und Belagerung durch die Ungarn standhielt. So konnte das Reichsheer unter König Otto I. rechtzeitig heranrücken.

Bis dahin hatte Bischof Ulrich, der als Reichsfürst auch das Militär der Stadt leitete, Augsburg trotz mehrerer kritischer Situationen erfolgreich verteidigt.

Daher wurde Bischof Ulrich einer der Stadtpatrone von Augsburg.

Danach entwickelte sich Augsburg unter den Bischöfen weiter zur „Alemanniae metropolis“, zu einer Hauptstadt von Schwaben.

Das gestiegene Prestige von Bischof Ulrich förderte zudem den Ausbau des Hochstiftes Augsburg, das sein Territorium unter dessen Nachfolgern bis zu den wichtigen Alpenpässen erweitern konnte.

Was wäre gewesen, wenn die Ungarn 955 Augsburg vor dem Eintreffen des Reichsheeres eingenommen hätten?

3. 1167: Der ferne Tod von Welf VII.

Im 12. Jahrhundert kämpften zwei Geschlechter um das heutige Bayerisch-Schwaben: Die Staufer als Herzöge von Schwaben und die Welfen als Herzöge von Bayern.

Beide versuchten, die Region durch die Übernahme von Herrschaftsrechten, Klosterstiftungen und Landesausbau für sich zu gewinnen und in das jeweilige Herzogtum zu integrieren.

Es kam aber auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen 1134 der staufische Stützpunkt Ulm von einem Welfenheer erobert und zerstört wurde.

Entscheidend war 1167 der Malaria-Tod von Welf VII. bei einem Italienzug des staufischen Königs und Kaisers Friedrich I. Barbarossa (siehe Bild).

Reiterstatue von Kaiser Friedrich Barbarossa.
(quality_by_Simon/Shutterstock)

Hatten die Staufer vorher schon eine gewisse Übermacht im Machtkampf mit den Welfen errungen, indem sie den Königsbesitz in der Region nutzten, kippte die Balance nun endgültig.

Tief getroffen vom Tod seines einzigen Sohns und Nachfolgers, zog sich Herzog Welf VI. aus der Politik zurück und gab sich Vergnügungen hin.

1178/1179 überschrieb Welf VI. sogar seine Besitzungen an seinen Neffen Barbarossa, auch wenn diese erst endgültig 1191 mit dem Tod von Welf in den Besitz der Staufer übergingen.

Mit dieser Kombination aus eigenen Territorien, königlichen Gütern und den ehemaligen Gebieten der Welfen in Bayerisch-Schwaben konnten die Staufer die Region endgültig dominieren und in ihren Herrschaftsverband integrieren.

Wie hätte sich Bayerisch-Schwaben entwickelt, wenn Welf VII. nicht gestorben wäre?

4. 1268: Der zersplitternde Tod von Konradin

Danach war Schwaben, und damit auch die Region von Bayerisch-Schwaben, ein Zentrum des mittelalterlichen Kaiserreiches.

Diese Entwicklung hing allerdings an der Verbindung mit den Staufern. Als König Konrad 1254 nur 26-jährig starb, begann sich die Zentralmacht im Herzogtum Schwaben langsam aufzulösen.

Zwar gab es danach mit Konradin noch einen Staufer, der mit 10 Jahren zu Herzog von Schwaben erhoben worden war. Ihm gelang es jedoch aufgrund seines Alters nicht, das Herzogtum unter Kontrolle zu bekommen.

Zudem wurde er 1268 nach seiner Niederlage im Kampf um das Erbe in Sizilien hingerichtet, womit die Staufer als Herrschaftsgeschlecht aufhörten zu existieren.

Zwar hatte Konradin vor seiner Abreise seinen Vormund und Erzieher, den Bayernherzog Ludwig von Wittelsbach zu seinem Erbe ernannt. Dieser konnte sich allerdings nur einen kleinen Teil des Herzogtums am Lechrain sowie zwischen Lauingen und Neuburg sichern.

Das restliche Herzogtum zersplitterte sich danach in eine Vielzahl von Herrschaften (siehe Karte aus dem Jahr 1400).

Davon profitierten ausgehend von Augsburg, Ulm und Memmingen vor allem zahlreiche Städte, die zu den „oberschwäbischen Reichsstädten“ heranwuchsen.

Karte der heutigen Region von Bayerisch-Schwaben im Jahr 1400 mit zahlreichen kleinen Territorien.
(Wikimedia Autor: Ziegelbrenner/CC BY-SA 3.0 (Ausschnitt))

Diese Zersplitterung blieb als „Fleckerlesteppich“ für Bayerisch-Schwaben typisch für die nächsten Jahrhunderte.

Wie hätte sich Bayerisch-Schwaben entwickelt, wenn Konradin nicht hingerichtet worden wäre?

5. 1376: Die gescheiterte Belagerung von Ulm

Bis ins 14. Jahrhundert hatte sich Ulm nicht nur zu einer freien und Reichsstadt entwickelt. Die reiche Handelsstadt hatte auch das befestigte Stadtgebiet (siehe Bild aus der heutigen Zeit) und das reichsstädtische Territorium erweitert.

Foto von der Donau aus in die mittelalterliche Alttadt von Ulm.
(Scirocco340/Shutterstock)

Dabei geriet sie in das Blickfeld der benachbarten Landesherren, vor allem der Herzöge von Württemberg und der von Bayern.

Kaiser Karl IV. als Schutzherr der Stadt war keine Unterstützung, da er aus Geldmangel dazu geneigt war, Rechte an der Stadt zu verpfänden. Zudem war er ein Gegner der Bündnisse, mit denen sich die schwäbischen Städte unter der Führung von Ulm zusammengeschlossen hatten.

Der Kaiser zog sogar mit einem Heer nach Ulm und belagerten die Stadt. Diese Belagerung war später mythenumrankt, aber erfolglos.

Dadurch sicherte Ulm nicht nur seine Unabhängigkeit, sondern auch von weiteren Teilen (Bayerisch-)Schwabens.

Auch für Ulm selbst hatte die Belagerung Folgen: Da die Pfarrkirche der Stadt außerhalb der Mauern lag, beschlossen die Bürger endgültig den Bau einer neuen Kirche innerhalb der Mauern: des späteren Ulmer Münsters.

Wie hätte sich Ulm entwickelt, wenn die Belagerung 1376 erfolgreich gewesen wäre?

6. 1426: Die endgültige Reichsfreiheit von Augsburg

Als Kaiser Sigismund in diesem Jahr der Stadt das Privileg der Wahl des Stadtvogtes verlieh, kam damit ein langer Prozess zum Abschluss. Zwar hatte sich Augsburg seit dem 12. Jahrhundert um eine Emanzipation gegenüber dem Bischof bemüht.

Da das durchaus mächtige Hochstift Augsburg dies nicht widerstandslos hinnahm und die römisch-deutschen Könige/Kaiser ihre eigenen Interessen verfolgten, war die Reichsfreiheit der Stadt ein umkämpfter und langer Prozess.

Erst 1156 hatte Kaiser Friedrich I. Barbarossa in einem Stadtrechtsprivileg die Rechte der Bürgerschaft erweitert und festgeschrieben. 1237 ist das erste Bürgersiegel feststellbar, 1276 kodifizierte das Stadtbuch eine Art innere Verfassung von Augsburg und 1316 legte Kaiser Ludwig der Bayer die Unveräußerlichkeit der Stadt vom Reich fest.

Auch wenn der Bischof noch im 15. Jahrhundert versuchte, die Herrschaft über die Stadt zurückzugewinnen, waren es immer mehr die römisch-deutschen Monarchen, die dominierten.

Sinnbild dafür und für das Selbstbewusstsein der Bürgerschaft ist das 1624 fertig gestellte Rathaus von Augsburg (siehe Bild). Es war von der Größe sogar für das Abhalten von Reichstagen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation konzipiert.

Foto des Rathauses von Augsburg mit dem Perlachturm
(Dmitry Naumov/Shutterstock)

Vor allem in der Blütezeit der reichen Handelsstadt im 15. und 16. Jahrhundert fanden viele Reichstage am Lech statt. Darunter die bedeutenden von 1518 (Verhör von Martin Luther), 1530 („Confessio Augustana“) und 1555 („Augsburger Religionsfriede“).

Wie hätte sich Augsburg entwickelt, wenn die Stadt keine freie Reichsstadt geworden wäre?

7. 1525: Der schlichtende Vertrag von Weingarten

Anfang des 16. Jahrhunderts kam es auch in Bayerisch-Schwaben zu Bauernunruhen.

Inspiriert von der Reformation schlossen sich verschiedene Gruppen zu sogenannten „Haufen“ zusammen und gingen gegen ihre Lehensherren vor.

Höhepunkt waren die Memminger „12 Artikel“, in denen die Aufständischen ihre Förderungen zusammenfassten und die teilweise als erste Erklärung von Menschenrechten gelten.

Die regionale Obrigkeit bekämpfte jedoch die Aufstände hart. Dafür nutzte sie den „Schwäbischen Bund“ als Zusammenschluss verschiedener schwäbischer Gebiete.

Von diesem angeworbene Landsknechte (siehe Bild) zerschlugen daraufhin die meisten „Bauernhaufen“ und beendeten die „Bauernkriege“ blutig.

Illustration von einem Landsknecht auf dem Pferd und einem Fußsoldaten.
(Sammy33/Shutterstock)

Eine Ausnahme bildete der Vertrag von Weingarten. Diesen schlossen der „Schwäbische Bund“ sowie die Bauern des Allgäuer und des Seehaufens im April 1525.

Gegen eine Rückgabe der eroberten Güter und eine Auflösung der Haufen konnten sich die Bauern Straffreiheit und eine Schlichtungslösung ihrer Forderungen durchsetzen.

Zwar verlief diese Durchführung vielfach nicht wie vereinbart, sie brachte jedoch für die Region im Allgäu das Einführen von „Agarverfassungsverträgen“, die einen Interessensausgleich zwischen Bauern und ihren Lehensherren vorsahen.

Der „Oberallgäuer Bauernhaufen“ lehnte diese Lösung ab und wurde im Juli des gleichen Jahres in der Schlacht bei Leubas vernichtet.

Was wäre gewesen, wenn der Vertrag von Weingarten sich mehr durchgesetzt hätte?

8. 1525: Der trennende „Große Kauf“ von Kempten

Auch Kempten hatte bis in das 16. Jahrhundert eine lange Entwicklung bis zur freien Reichsstadt durchgemacht.

Zwar hatte die Bürgerschaft ab dem 14. Jahrhundert immer mehr Rechte der Fürstabtei an sich gezogen. Die Fürstäbte behielten aber nach wie vor bedeutende Rechte in Kempten, wie die Besetzung des Stadtamtmannes und Anteile an städtischen Einnahmen.

Zudem bauten sie die Fürstabtei zu einem bedeutenden Herrschaftsgebiet in Schwaben und im Allgäu aus, in dem die Stadt Kempten wie eine kleine Insel lag.

Erst im „Großen Kauf“ gelang es den Kemptener Verhandlungsführern, dem Fürstabt alle seine Rechte innerhalb der Bürgerstadt abzukaufen. Für 30.000 Gulden trat der Geistliche damit ein Territorium ab, das nahe an seinem Kloster lag.

Er sah sich kurzfristig dazu gezwungen, da er durch aufständische Bauern, die sich der Territorialherrschaft des Klosters und der damit einhergehenden Leibeigenschaft nicht beugen wollten, in Bedrängnis war.

So hatte der Abt vor den Aufständischen, die ihn und den Klosterkonvent zeitweise auf der Burg Liebenthann bei Obergünzburg belagert hatten, in die Reichsstadt flüchten müssen.

Die immer mehr der Reformation zuneigenden Kemptener konnten so den „Großen Kauf“ größtenteils mit den eingezogenen und eingeschmolzenen Kirchenschätzen der Stadt abwickeln.

Damit endeten die Streitigkeiten nicht. Das Territorium der Reichsstadt war komplett von der Fürstabtei umgeben und wirtschaftlich eng mit diesem verflochten. Sowohl die Reichsstadt als auch die Stiftstadt Kempten lagen auf dem westlichen Ufer der Iller und waren räumlich kaum zu trennen.

So sind die ehemalige Residenz des Fürstabtes (siehe erster Bild unten) und das Rathaus der ehemaligen Reichsstadt (siehe zweites Bild unten) kaum mehr als einen halben Kilometer voneinander entfernt.

Foto der Kirche St. Lorenz in Kempten mit der ehemaligen Residenz der Fürstäbte von Kempten
(FooTToo/Shutterstock)
Foto des Rathauses von Kempten
(Sina Ettmer Photography/Shutterstock)

Diese Trennung blieb sogar nach der Besetzung durch Bayern 1802 bestehen, da die Verwaltungsakte zur gewünschten Vereinigung der Doppelstadt lange dauerten.

Erst 1818 fusionierten die ehemalige Reichsstadt und Stiftsstadt zum heutigen Kempten. Die Reichsstadt wurde zur Altstadt, die Stiftstadt zur Neustadt der neu eingerichteten Gemeinde.

Wie hätte sich Kempten bis 1818 entwickelt, wenn der „Große Kauf“ nicht erfolgreich gewesen wäre?

9. 1607: Die illegale Besetzung von Donauwörth

Die freie und Reichsstadt Donauwörth (heute im Süden des Landkreises Donau-Ries) war mehrheitlich protestantisch, hatte aber eine katholische Minderheit zu dulden. Dazu gehörte zum Beispiel das katholisch gebliebene Kloster Heilig Kreuz am Stadtrand (siehe Bild).

Foto der Klosterkirche Heilig Kreuz in Donauwörth.
(Eigenes Bild)

Anfang des 17. Jahrhunderts eskalierten allerdings im Heiligen Römischen Reich die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten.

Dies betraf auch Donauwörth, wo sich 1606 und 1607 die sogenannten „Kreuz- und Fahnengefechte“ ereigneten.

Dabei griffen Protestanten katholische Prozessionen, deren Auftreten mit Fahnen und Gesängen sie als Provokation empfanden, an und jagten die Katholiken auseinander.

Unklar ist bis heute, ob die Prozessionen von katholischer Seite bewusst als Provokation ausgelegt waren, um katholische Mächte zum Eingreifen zu bewegen.

Die Folgen waren dagegen klar: Nachdem Kaiser Rudolf II. 1606 noch die Reichsacht angedroht hatte, verfügte er diese nach dem zweiten „Gefecht“.

Eigentlich wäre der protestantische württembergische Herzog als Obmann des schwäbischen Reichskreises für die Exekution zuständig gewesen.

Rudolf II. beauftragte allerdings den katholischen, bayerischen Herzog Maximilian I.

Dieser nutzte die Gelegenheit und die kompromisslose Haltung von Donauwörth gegen seine Verhandlungsversuche, um die Stadt zu besetzen und de facto zu annektieren.

Als er Donauwörth zusätzlich rekatholisierte, führte dies nicht nur zu einer protestantischen Auswanderung und einer Verarmung der Stadt.

Die protestantischen Mächte des Reiches sahen diese Entwicklung als Bedrohung und schlossen sich zu einem Bündnis zusammen.

Daher gilt die Besetzung von Donauwörth als einer der bedeutendsten Auslöser des Dreißigjährigen Krieges wenige Jahre später.

Was wäre gewesen, wenn nicht der bayerische, sondern der zuständige württembergische Herzog die Reichsacht in Donauwörth exekutiert hätte?

10. 1626: Der folgenreiche „Neukomm-Aufstand“ in Lindau

Die freie und Reichsstadt Lindau war durch den Handel am Bodensee und über die Alpenpässe lange reich geworden.

Diese günstige Lage (siehe Bild unten) sorgte aber im beginnenden Dreißigjährigen Krieg dafür, dass die durchziehenden katholischen Heere die protestantische Stadt wirtschaftlich und sozial stark belasteten.

Luftaufnahme der Stadt Lindau auf einer Insel im Bodensee aus Richtung Norden.
(megula/Shutterstock)

Dies führte zu immer größeren Spannungen in Lindau.

Diese entzündeten sich vor allem zwischen dem Stadtrat aus Patriziern, der die Neutralität der Stadt im Krieg und die Treue zum Kaiser erhalten wollte, und einigen Einwohnern, die als Protestanten unten wirtschaftlichen sowie sozialen Nöten litten. Besonders der rangälteste protestantische Prediger der Stadt, Alexius Neukomm, nutzte die Spannungen zu seinem persönlichen Vorteil und griff den Stadtrat mehrfach scharf in demagogischen Predigten an.

Als der Rat seinen Angriffen nicht energisch entgegentrat eskalierte der Konflikt in der Karwoche 1626 um die Frage der Wiedereinführung er Privatbeichte. Neukomm verweigerte diese strikt und hatte bereits vorher den Rat scharf angegriffen, ohne dass dieser harte Gegenmaßnahmen gegen ihn durchgesetzt hatte.

Als der Stadtrat den immer stärker eskalierenden Konflikt am 6. November mit der Absetzung von Neukomm beenden wollte, löste dies am nächsten Tag den offenen Aufstand von Neukomms Anhängerschaft und vielen unzufriedenen Einwohnern aus.

Unter diesem Druck musste der Rat am 7. November faktisch vor den Aufständischen kapitulieren und sagte in einer schriftlichen Vereinbarung die Erfüllung von dessen Forderungen wie einer Wiedereinsetzung von Neukomm zu.

Im Laufe des Novembers/Dezembers gelang es zwar, diese Vereinbarungen durch einen für alle Seiten annehmbaren Vergleich zu ersetzen. Und im Februar 1627 starb mit Alexius Neukomm der Verursacher des nach ihm benannten Aufstandes.

Allerdings nutzte der katholische Kaiser Ferdinand II., der die protestantische Stadt schon vor Kriegsbeginn des Verrats verdächtigt hatte, den Aufstand als Vorwand für eine Untersuchungskommission. Deren Erkenntnisse führten im Februar/März 1628 schließlich zur Besetzung der Stadt mit einer kaiserlichen Streitmacht für die Dauer des Krieges.

Diese verstärkte nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen Lasten von Lindau im Krieg, sondern involvierten die Stadt als kaiserliche Festung auch bis zum Ende des Krieges noch stärker in die Konflikte des Krieges.

Als Vorteil erwies sich, dass die kaiserliche Besatzung die Befestigungen der Stadt ausbauen konnte. Die Pläne dafür hatte es bereits länger gegeben. Der katholische Kaiser hatte aber der Reichststadt aufgrund seines Misstrauens die Erlaubnis zum Ausbau der Stadtverteidigung verweigert.

Nachdem 1632 schwedische Patrouillen zum ersten Mal die Lindauer Region erreicht hatten, kam es in der strategisch und wirtschaftlich wertvollen Bodenseeregion immer wieder zu Kämpfen zwischen Schweden und Kaiserlichen. Nur gegen die Festigung Lindau gingen die Angreifer nicht vor, da ihre Kräfte dafür zu schwach waren.

Erst am Ende des Krieges, Anfang 1647, belagerten die Schweden einmalig Lindau für mehrere Wochen, scheiterten aber an der vorbereiteten Garnison und den inzwischen ausgebauten Befestigungen.

Was wäre gewesen, wenn der Stadtrat Alexius Neukomm früher entgegengetreten wäre?

11.1634: Die „gebriefte“ Schlacht bei Nördlingen

Die freie und Reichsstadt Nördlingen lag günstig inmitten der Region des Ries (siehe Bild aus der heutigen Zeit). Diese lag nicht nur verkehrstechnisch günstig, zum Beispiel zwischen Schwaben und Franken, sondern war auch sehr fruchtbar.

Foto der Landschaft des Nördlinger Ries mit zahlreichen Äckern.
(Wolfgang Zwanzger/Shutterstock)

Was die Stadt bis dahin reich gemacht hatte, bedrohte sie aber im Dreißigjährigen Krieg.

1634 geriet die protestantische, durch eine schwedische Besatzung geschützte Stadt in den Fokus der katholischen Verbündeten.

Zuerst begann ein bayerisches Heer die Stadt zu belagern und gleichzeitig die Region zu nutzen, um sich zu versorgen, bis Verstärkungen aus Spanien eintrafen.

Die harte Belagerung und das Ausbleiben einer protestantischen Entsatzstreitmacht führten am 22. August zu Diskussionen im Rat von Nördlingen, ob die Stadt auf die Übergabeforderungen der Belagerer eingehen sollte.

Erst ein in die Stadt geschmuggeltes Schreiben der protestantischen Heerführer, das deren baldige Ankunft ankündigte, beendete diese Diskussionen. Als zwei Tage später General Horn erfolgreich Nördlingen besuchte, war die Diskussion endgültig vorbei.

Nördlingen widerstand der Belagerung, bis das protestantische Entsatzheer ab dem 5. September in der „Schlacht auf dem Albuch“ die Belagerer angriff.

Dieser Angriff endete jedoch in einer desaströsen Niederlage der protestantischen Seite gegen die Katholiken, die im Dreißigjährigen Krieg für die nächsten Jahre die Oberhand behielten.

Nördlingen musste nach dieser Niederlage ebenfalls kapitulieren, hatte aber vergleichsweise wenig desaströse Bedingungen zu erfüllen.

Wie hätte sich die Schlacht bei Nördlingen entwickelt, wenn die Stadt bereits am 22. August kapituliert hätte?

12. 1702: Der risikoreiche Handstreich auf Ulm

Im 17. Jahrhundert war die Reichsstadt Ulm eine mächtige Festung. Noch während des Dreißigjährigen Krieges hatte die Stadt ihre Befestigungen modernisiert und ausgebaut.

Zudem war die Stadt Kreisfestung des Schwäbischen Reichskreises, der dort seine Artillerie lagerte.

Daher griff der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel zu einer hochriskanten List: Am 8. September versuchten seine als Bauern verkleidete Soldaten, sich über das Gänstor (siehe Bild) in die Stadt zu schmuggeln.

Foto des Gänstors von Ulm.
(Vollverglasung/Shutterstock)

Die Torwachen bemerkten die Kommandoaktion zu spät. Auch wenn einer der Angreifer im anschließenden Gefecht seinen Anführer aus Versehen erschoss,waren die wenigen Ulmer Wachen gegen die bayerischen Soldaten und deren schnell nachrückende Verstärkung chancenlos.

Zwar mobilisierte der Angriff die 3.000 Mann starken Bürgerkompanien schnell. Doch da eine Verteidigung nur zu Zerstörungen innerhalb der Stadt geführt hätte, kapitulierte Ulm.

Die anschließende bayerische und französische Besetzung sowie Kampfhandlungen im „Spanischen Erbfolgekrieg“ ruinierten die Stadt langfristig. Sie erholte sich davon nicht mehr, bis sie ihre Reichsfreiheit fast 100 Jahre später verlor.

Der Fall von Ulm machte den Weg des bayerischen Heeres für eine Invasion weiterer Städte frei. So wurde zum Beispiel Memmingen besetzt, wodurch dessen Reichsfreiheit ebenfalls in Gefahr geriet.

Was wäre gewesen, wenn die Ulmer Stadtwachen das bayerische Kommando rechtzeitig entdeckt hätten?

13. 1810: Der bayerisch-württembergische Pariser Vertrag

1802/1803 war Ulm in Folge des Bündnisses zwischen Frankreich unter Napoléon und Bayern in den Besitz des letzteren gekommen.

Bayern machte Ulm sogar zur Hauptstadt seiner neuen Provinz „Schwaben“, weshalb die Stadt eine Aufwertung durch viele Behörden erhielt.

Dies änderte sich 1810, als Bayern in Folge eines in Paris geschlossenen Grenzvertrags mit Württemberg Ulm an das benachbarte Königreich abtrat.

Dafür erhielt es von Frankreich das ehemalige Fürstentum Bayreuth.

Zuvor hatte eine bayerisch-württembergische Kommission die bisherige Grenze (siehe Karte) zwischen beiden Staaten neu verhandelt und sich dabei vor allem an den Flüssen als Grenze orientiert.

Karte von Bayern im Jahr 1806.
(Wikimedia Autor: Ziegelbrenner/CC BY-SA 3.0)

Die Übergabe von Ulm führte nicht nur zu Ärger bei der bayerischen Verwaltung, die dem durch Mitnahme allen beweglichen Guts Ausdruck verlieh. Ebenso demolierten bayerischen Soldaten aus Frust über ihren Abzug ihre Kasernen.

Die Verträge trennten Ulm auch von seinen Gebieten auf dem rechten Ufer der Donau. Dort entstand ab 1811 mit Neu-Ulm eine bayerische Gemeinde.

Zwar gab es seitdem mehrere Versuche, Neu-Ulm wieder in Ulm einzugliedern. Diese scheiterten jedoch spätestens an der bayerischen Gegenforderung, dann Ulm nach Bayern einzugliedern.

Der Grenzvertrag hatte auch Folgen für andere Teile von Bayerisch-Schwaben: So trennte er Memmingen von Teilen seines ehemaligen reichsstädtischen Hinterlandes und machte es zur Grenzstadt.

Was wäre gewesen, wenn der Grenzvertrag anders verhandelt worden wäre?

14. 1843: Der umkämpfte Verlauf der „Ludwig -Süd-Nord-Bahn“

Bereits 1835 gab es in Bayerisch-Schwaben Versuche, eine Eisenbahnstrecke zwischen Lindau und Augsburg zu etablieren. Dies scheiterte aber an den Uneinigkeiten über die Streckenführung.

Dies galt ebenso bei der geplanten „Ludwig -Süd-Nord-Bahn“, die Bayern von Lindau bis nach Hof erschließen sollte. Ursprünglich sollte die Strecke auf der technisch einfacheren Route von Buchloe über Marktoberdorf und Unterthingau bis nach Immenstadt gebaut werden.

Wobei das Allgäu an sich aufgrund seiner gebirgigen Landschaft (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten) für die Planer und Ingenieure bereits eine enorme Herausforderung war.

Foto eines modernen Zuges mit zwei Triebwägen in einer Stadt im Allgäu vor den Bergen der Alpen
(Hagen Simon/Shuttertock)

Der geplanten Streckenführung widersetzten sich jedoch Kempten und Kaufbeuren, am Ende erfolgreich. Daher musste die Bahnstrecke auf einer technisch noch anspruchsvolleren Route gebaut werden.

Diese erwies sich jedoch als wirtschaftlich erfolgreich und förderte die ab 1840 einsetzende Industrialisierung im Allgäu entscheidend. So begann mit dem Eisenbahnanschluss von Kaufbeuren im Jahr 1847 der Erfolg der dortigen Textilherstellung. Doch vor allem Kempten entwickelte sich zu einem Zentrum der Industrialisierung in der Region.

Was wäre gewesen, wenn die „Ludwig -Süd-Nord-Bahn“ die ursprüngliche Streckenführung beibehalten hätte?

15. 1919: Der kurzzeitige Traum von „Großschwaben“

Nach dem Ersten Weltkrieg und den revolutionären Wirren der Räterepubliken entstand in Bayerisch-Schwaben kurzzeitig eine „Großschwaben-Bewegung“.

Diese forderte die Integration der Region in ein eigenes „Reichsland Schwaben“, indem der gesamte schwäbische Raum vereinigt werden sollte.

Diese Bewegung fand zum Beispiel große Sympathien in Ulm, Neu-Ulm, Memmingen und Kaufbeuren. Dillingen, Nördlingen und Lindau blieben dagegen distanziert.

Auf Ebene des Deutschen Reiches gab es zu dieser Zeit ebenfalls Diskussionen über eine Niedergliederung der Länder zu in etwa gleich großen Einheiten.

Als die revolutionäre Instabilität allerdings zurückging und erste Neugliederungspläne auf Reichsebene scheiterten, ging auch die „Großschwaben-Bewegung“ zurück. In Memmingen zum Beispiel zugunsten der im Allgäu starken Heimatschutzbewegung.

Diskussionen über ein „Reichsland Schwaben“ blieben allerdings die gesamten 1920er Jahre lebendig.

Was wäre gewesen, wenn die "Großschwaben-Bewegung" länger einflussreich geblieben wäre?

16. 1945: Die verhinderte Verteidigung von Nördlingen

Bis in den April 1945 war Nördlingen (siehe Bild aus der heutigen Zeit) von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben.

Luftbild der Altstadt von Nördlingen.
(oliverfoerschner/Shutterstock)

Dennoch sollten die wenigen verbliebenen deutschen Einheiten die Stadt verteidigen. Daher waren Schützengraben ausgehoben und die Brücke vor dem „Baldinger Tor“ mit Sprengsätzen ausgestattet.

Auch der Stadtkommandant lehnte eine friedliche Übergabe an die US-Amerikaner ab.

Dennoch gelang es den Mitarbeitern des Nördlinger Stabsarztes, auf dem Turm der Stadtkirche Rotkreuzfahnen zu hissen, zwischen denen ein weiterer Nördlinger sogar eine weiße Fahne geschmuggelt hatte.

Dies brachte Nördlingen jedoch in Gefahr, als der Stadtkommandant auf einem Einziehen der Fahnen bestand.

Denn die US-Amerikaner konnten dies nur als Signal verstehen, dass die Stadt verteidigt wird. Dies hätte in jedem Fall schwere Angriffe aus der Luft und mit Artillerie bedeutet.

Dass es nicht dazu kam, war Verhandlungen zwischen dem Stadtkommandanten und dem Stabsarzt zu verdanken. Zwar sollten die Fahnen abgehängt werden, jedoch nur Stück für Stück.

Diese Verzögerung genügte, denn am 23. April zog sich der Stadtkommandant plötzlich aus Nördlingen zurück und die Stadt konnte friedlich an die US-Amerikaner übergeben werden.

So blieb vor allem die historische Altstadt größtenteils erhalten und Nördlingens Bevölkerung überstand die „Eroberung“ durch die US-Amerikaner vergleichsweise glimpflich.

Was wäre mit Nördlingen passiert, wenn die Fahnen auf der Kirche schneller abhängt worden wären?

17. 1945: Das Kaufbeurer Neu-Gablonz

Als es nach 1945 zur Vertreibung unter anderem der Sudetendeutschen kam, suchte eine Gruppe um den Diplomingenieur Erich Huschka in Eigeninitiative einen neuen Standort für die Vertriebenen aus der Stadt Gablonz an der Neiße.

Diese war bis zur Vertreibung ihrer Einwohner ein Zentrum der böhmischen Glas- und Schmuckherstellung gewesen. Diese ausdifferenzierte Wirtschaftsstruktur wollte die Gruppe um Huschka an einem geeigneten Standort in Deutschland wiederaufbauen.

Dazu sondierten sie verschiedene Regionen, zum Beispiel in Süddeutschland und im Bayerischen Wald. Kaufbeuren war eine Möglichkeit, da die Stadt mit einer ehemaligen Sprengstofffabrik über ein großes Gelände verfügte, das durch Versorgungsinfrastruktur erschlossen war, aber noch keine neue Funktion hatte.

Kaufbeuren mit seiner mittelalterlichen Altstadt (siehe Bild unten) und das Allgäu waren bis größtenteils ländlich-landwirtschaftlich strukturiert und vergleichsweise dünn besiedelt.

Panoramabild der Altstadt von Kaufbeuren mit alter Stadtmauer und Kirchentürmen
(cityfoto24/Shutterstock)

Allerdings war der für Wirtschaftsfragen zuständige Beamte im Kaufbeurer Rathaus gegen eine Ansiedlung der Vertriebenen, da er das Gelände als ungeeignet ansah.

Huschka gelang es, diesen Widerstand zu überwinden, indem er einen ausgearbeiteten Ansiedlungsplan für Kaufbeuren direkt an die bayerischen Ministerien schickte. Diese waren sehr daran interessiert, die Gablonzer Industrien in Bayern anzusiedeln.

Der damalige bayerische Wirtschaftsminister Ludwig Erhard favorisierte allerdings eine Ansiedlung der Gablonzer mehrheitlich im Fichtelgebirge und in Bayreuth.

Ein weiteres Hindernis waren Vorbehalte der US-amerikanischen Besatzungsbehörden, die gegen eine geschlossene Ansiedlung der Sudetendeutschen auf diesem Gelände waren. Dies konnte der Oberbürgermeister von Kaufbeuren erst umgehen, als er die kommunale Planungshoheit über das Gelände beanspruchte. Damit übernahm die Stadt auch die Verantwortung für die kostspielige Infrastruktur von den US-Amerikanern.

Somit gelang es ab Juni 1946, die Gablonzer im neuen Stadtteil Kaufbeuren-Hart anzusiedeln. 1952 erfolgte die Umbenennung in Kaufbeuren-Neugablonz. Die dort angesiedelte Industrie erwies sich bis in die 1970er Jahre als Wachstumsmotor der Stadt und Region. Bis 1961 verdreifachte Kaufbeuren so durch die 17.000 Vertriebenen seine Einwohnerzahl.

Lange blieb Neu-Gablonz eine Sprachinsel des im sudetendeutschen Gablonz gesprochenen „Paurischen“ und bis in die heutige Zeit sind dort Traditionen aus dem böhmischen Kulturkreis lebendig.

Wie hätte sich Kaufbeuren entwickelt, wenn sich die Gablonzer mit ihrer Industrie nicht in der Stadt angesiedelt hätten?

18. 1947: Die selbstbewusste politische Siedlung Deiningen

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen viele Vertriebene auch nach Bayerisch-Schwaben. Um diese Masse unterzubringen, entstanden Flüchtlingslager, unter anderem in Deiningen.

Dieses Lager mit 400 Bewohnern war allerdings eine Ausnahme: Es bestand mehrheitlich aus sudetendeutschen Sozialdemokraten des Bezirks Marienbad und entwickelte 1947 ein enormes Eigenleben.

Höhepunkt war eine Erklärung an den Landkreis Nördlingen, in dem sich das Lager als „sozialistische Siedlung“ für autonom erklärte.

„Die SPD Umsiedlerstelle übernimmt somit die gesamte Verwaltung und Organisation der sozialistischen Siedlung und ersucht das Flüchtlingskommissariat um freundliche Kenntnisname dieser Mitteilung“.

Telegramm des Landratsamtes Nördlingen an den Gemeinderat von Deiningen, Betreff: Antifa-Siedlung Deiningen. (31.07.1947).

Dies führte zu heftigen Konflikten mit der bayerischen Flüchtlingsverwaltung und der Gemeinde Deiningen, die eine politische Siedlung und deren Autonomie strikt ablehnten.

Trotz dieser Konflikte und einer dadurch bedingten fehlenden Unterstützung existierte die Siedlung bis 1952, als sie wegen wirtschaftlicher Probleme aufgelöst wurde.

Was wäre gewesen, wenn die politische Siedlung Deiningen weiter existiert hätte?

19. 1949: Die gescheiterte Gründung der Universität Augsburg

Bayerisch-Schwaben hat eine lange Hochschultradition. Bereits 1543 gründete der Kemptener Fürstabt eine Universität in Ottobeuren.

Diese „Academia Ottemburana“ hatte den Zweck, als Reaktion auf die Reformation die Ausbildung von katholischen Priestern zu verbessern. Sie ging allerdings bereits drei Jahre später im „Schmalkaldischen Krieg“ unter.

Ihre Nachfolge trat 1549 die Universität Dillingen an, die der Augsburger Bischof in seiner Residenzstadt gründen ließ. Sie bestand bis zur Säkularisierung durch Bayern 1803. 1923 entstand sie als Philosophisch-Theologische Hochschule wieder.

Eine solche Hochschule existierte bis nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Augsburg. Dort gab es aber Bestrebungen, eine eigene Universität einzurichten.

Nachdem 1947 der erste Versuch am Widerstand der Kirche gescheitert war, kam es im darauf folgenden Jahr zu einem neuen Schub.

Denn vertriebene Mitglieder der 1945 aufgelösten Deutschen Universität Prag zeigten sich interessiert, die Tradition der ältesten deutschsprachigen Universität in Augsburg fortzusetzen.

Es gab sogar eine „Denkschrift über die Wiedererrichtung der juristischen und philosophischen Fakultät der deutschen Karlsuniversität in Prag in Augsburg“ sowie vom 31. August bis 4. September 1949 öffentlichkeitswirksame „Augsburger Hochschultage“.

Da die sudetendeutschen Professoren allerdings fast zeitgleich Regensburg als neuen potenziellen Standort für sich entdeckten, versandete der Versuch erneut.

Erst 1970 kam es zur Einrichtung der Universität Augsburg (siehe Bild), die 1972 auch die Hochschule und damit die Tradition aus Dillingen übernahm.

Foto der Universität Augsburg.
(Werner Rebel/Shutterstock)

Heute ist die Universität Augsburg mit knapp 20.000 Studierenden eine der größten Hochschulen Bayerns und prägt die Stadt trotz ihrer kurzen Geschichte stark.

Wie hätte sich Augsburg entwickelt, wenn die Universität bereits 1949 erfolgreich eingerichtet worden wäre? 

Quellen und Literatur

  • Christoph Engelhard: Memmingen. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2021. Thalia Button
  • Stefan Fischer: Kleine Geschichte des Allgäus. Regensburg 2024.Thalia Button
  • Christopher R. Friedrichs: Nördlingen im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Neustadt an der Aisch 2018.
  • Karl-Ulrich Gelberg: Neugliederung des Reiches (1919-1945), auf historisches-lexikon-bayerns.de (15.11.2007).
  • Gerhard Immler: Kempten, Fürstabtei: Politische Geschichte (Spätmittelalter), auf: historisches-lexikon-bayerns.de (15.09.2009).
  • Birgit Kata, Volker Laube, Markus Naumann, Wolfgang Petz (Hrsg.): „Mehr als tausend Jahre. Das Stift Kempten zwischen Gründung und Auflassung 752 bis 1802 (Allgäuer Forschungen zur Archäologie und Geschichte 1). Friedberg 2006.
  • Wolf-Henning Petershagen: Ulm & Neu-Ulm. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2019. Thalia Button
  • Rolf Kießling: Kleine Geschichte Schwabens. Regensburg 2021.Thalia Button
  • Werner Lenger: Eine kleine Geschichte der Universität Augsburg. Augsburg 2004.
  • Otto Mayr: Die schwedische Belagerung von Lindau 1647. Der Dreißigjährige Krieg am Bodensee und in Oberschwaben (Historischer Verein Lindau (B), Neujahrsblatt 53). München 2016.Thalia Button
  • Christoph Paulus: Augsburg, Augsburg, Reichsstadt: Politische und soziale Entwicklung, auf: historisches-lexikon-bayerns.de (08.12.2017).
  • Wolfgang Petz: Kempten, Reichsstadt, auf: historisches-lexikon-bayerns.de (10.09.2012).
  • Wilfried Sponsel: Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Jahre des Neubeginns in Nördlingen (1945-1950). Neustadt an der Aisch 2020.
  • Bastian Vergnon: Die sudetendeutschen Sozialdemokraten und die bayerische SPD 1945 bis 1978, Frankfurt am Main 2017.Thalia Button
  • Florian Felix Weyh: Wie die sudetendeutsche Schmuckindustrie nach Bayern kam. Kaufbeuren-Neugablonz, auf: deutschlandfunkkultur.de (03.02.2019).

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  1. Schwoable

    Wow! Eine umfangreiche Liste an Geschichtseinblicken. Es ist damit auch etwas verkürzt.

    Der Vertrag von Weingarten kam zustande, weil die Truppen des Schwäbischen Bundes in Italien waren, sodass man zu Zugeständnisse bereit war. Das änderte sich wieder, als die Truppen zurückkkamen. Die erreichten Zugeständnisse, wie unabhängige Richter, wurden zurückgenommen. Sie Bauern wurden brutal niedergemetzelt und verfolgt. Die Rädelsführer ließ Georg III von Waldburg foltern und hinrichten.

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