Die Geschichte Bayerns zeigt mit vielen Ereignissen und Entwicklungen, wie regionale Geschichte mit der deutschen und europäischen Geschichte verknüpft ist. Die Alternative History des Freistaats und seiner Regionen hat damit nicht nur häufig Folgen für ganz Deutschland oder sogar Europa. Sie kann auch das Verständnis für historische Entscheidungen verbessern und Möglichkeiten für Vergangenheit sowie Zukunft aufzeigen.

Näheres zu den Ankerpunkten der bayerischen Geschichte in den verschiedenen Regionen des Freistaats gibt es unter folgenden Seiten:
- 21 Punkte, an denen die Geschichte der Oberpfalz und Regensburgs anders gelaufen wäre
- 19 Punkte, an denen die Geschichte von Bayerisch-Schwaben und Augsburg anders gelaufen wäre
- 11 Punkte, an denen die Geschichte Mittelfrankens und Nürnbergs anders gelaufen wäre
- 17 Punkte, an denen die Geschichte Oberfrankens anders gelaufen wäre
- 10 Punkte, an denen die Geschichte Unterfrankens und von Würzburg anders gelaufen wäre
- 14 Punkte, an denen die Geschichte Niederbayerns anders gelaufen wäre
- 16 Punkte, an denen die Geschichte Oberbayerns und Münchens anders gelaufen wäre
Ankerpunkte
- 9 nach Christus: Die wegweisende Varusschlacht
- 788: Das unbekannte Ende der Agilolfinger
- 907: Die vernichtende Niederlage von Pressburg
- 955: Die schlachtentscheidende Verteidigung von Augsburg
- 1057: Das langwierige Ende der Schweinfurter
- 1158: Die umstrittene Gründung Münchens
- 1204: Der endgültige Durchbruch der Wittelsbacher
- 1245: Die freie und Reichsstadt Regensburg
- 1268: Der zersplitternde Tod von Konradin
- 1313: Die entscheidende Schlacht bei Ampfing/Mühldorf
- 1329: Der zersplitternde Hausvertrag von Pavia
- 1373: Das kurzfristige Ende von Neuböhmen
- 1435: Die berühmte Ermordung von Agnes Bernauer
- 1607: Die illegale Besetzung von Donauwörth
- 1704: Die zu Beginn verlorene Schlacht von Höchstädt
- 1778: Das österreichische Niederbayern
- 1791: Die amouröse Abdankung des letzten Markgrafen
- 1810: Der bayerisch-württembergische Pariser Vertrag
- 1838: Die umstrittene Ludwig-Süd-Nord-Bahn
- 1886: Der vermeidbare Tod von Ludwig II.
- 1919: Die sekundenschnelle Ermordung von Kurt Eisner
- 1923: Der gescheiterte Hitler-Putsch
- 1939: Das zu präzise Attentat von Georg Elser
- 1945: Die tödlich verhinderte Verteidigung von Amberg
- 1945: Das Kaufbeurer Neu-Gablonz
- 1948: Der „erste politische“ Aschermittwoch
- 1989: Die kontroverse Aufgabe der WAA
- 1992: Die umkämpfte Fachhochschule Deggendorf
Quellen und Literatur
1. 9 nach Christus: Die wegweisende Varusschlacht
Als der römische Statthalter Publius Quinctilius Varus im Teutoburger Wald in einen Hinterhalt von germanischen Aufständischen unter Führung des Cheruskers Arminius geriet, hatte dies Folgen für Bayern.
Seit 15 vor Christus hatte das Römische Reich das Alpenvorland bis zur Donau erobert.
Die Pläne gingen jedoch weiter. Seit 7 vor Christus waren in der sogenannten Germania magna auch Teile des späteren Nordbayerns unter Kontrolle gebracht und als Provinz in das Imperium eingegliedert worden.
Davon zeugte ein 1985 entdecktes Legionslager in Marktbreit (Unterfranken). Es konnte zwei Legionen aufnehmen und war als Stützpunkt für eine weitere Expansion angelegt worden.
Nach der Niederlage des Varus waren aber zwei Drittel der römischen Rheinarmee vernichtet. Das restliche Drittel konnte sich nur schnell hinter Rhein und Donau zurückziehen.
Daher – und als folgende römische Gegenoffensiven ohne dauerhaften Erfolg blieben – wurde das Lager in Marktbreit aufgegeben. Die Legionäre (siehe Reenactment-Bild aus der heutigen Zeit) verließen das heutige Unterfranken wieder.

Zwar expandierten die Römer ab 90 nach Christus erneut nach Schwaben und Franken. Sie errichteten den obergermanisch-raetischen Limes und gründeten im Jahr 175 mit dem Legionslager Castra Regina das heutige Regensburg, um die Grenzflüsse Donau, Naab und Regen zu überwachen.
Sie blieben aber auf „ihrer“ Seite von Main sowie Donau und unternahmen keine Eroberungsversuche in Richtung der Gebiete der heutigen Oberpfalz oder von Oberfranken.
Als der obergermanisch-raetische Limes schließlich 253/254 angesichts der Angriffe der Alamannen aufgeben wurde, endete die römische Präsenz in Nordbayern endgültig.
Wie hätte sich das "römische Bayern" entwickelt, wenn Varus nicht in den Hinterhalt des Arminius geraten wäre?
2. 788: Das unbekannte Ende der Agilolfinger
Nach dem endgültigen Abzug der Römer im 5. Jahrhundert blieben Teile der romanisierten Bevölkerung in Südbayern. Ebenso wie germanische Söldner aus Siedlungen nördlich der Donau, die immer mehr Aufgaben der römischen Grenztruppen übernommen hatten.
Aus beiden Gruppen, weiteren germanischen Stämmen und zahllosen anderen Zuwanderern bildete sich eine neue Ethnie heraus, die die bayerische Geschichte begründete: die Bajuwaren.
Im 8. Jahrhundert dominierte vom immer noch stark befestigten Regensburg aus die Familie der Agilolfinger als Herzöge diesen neuen Stamm.
Zwar sahen die Könige des Frankenreiches (auf der Karte in grünen Farben) sich als Oberherrscher der bajuwarischen Herzöge. Die Agilolfinger, die zu den mächtigsten und ältesten Familien des gesamten Reiches gehörten, versuchten aber immer wieder, sich dieser Oberherrschaft zu entziehen.

Dabei waren sie unterschiedlich erfolgreich: Einzelne Herzöge regierten fast ohne Einmischung der Frankenkönige. Andere wurden durch Kriegszüge zur Unterwerfung gezwungen.
788 endete diese Phase der bayerischen Geschichte: Das unter den Karolingern erstarkende Frankenreich hatte die Unabhängigkeit der Agilolfinger immer mehr beschnitten. In diesem Jahr setzte Karl der Große schließlich Herzog Tassilo III. ab.
Dieser Sturz war für die bayerische Geschichte einschneidend, sein Ablauf blieb aber unbekannt, da die wenigen Quellen Propaganda der Franken wiedergeben.
Für Bayern hatte dies große Folgen. Das Land sank von einem fast unabhängigen Stammesherzogtum zu einer Provinz an der Peripherie des großen Frankenreiches herab.
Der Hauptsitz der Agilolfinger, Regensburg, entwickelte sich dagegen bis zum Aussterben der Karolinger zu einem Zentrum der Königsherrschaft im entstehenden ostfränkisch-deutschen Reich.
Wie hätte sich Bayern weiterentwickelt, wenn die Agilolfinger an der Macht geblieben wären?
3. 907: Die vernichtende Niederlage von Pressburg
Um 900 war Bayern zwar weiter Teil des ostfränkischen Reiches.
Der bayerische Markgraf Luitpold handelte aber immer mehr wie ein unabhängiger Herrscher in einem neu entstandenen Stammesherzogtum.
Zu seinen Aufgaben gehörte die Sicherung der Grenzen gegen die stärker werdenden Einfälle des Reitervolks der Ungarn.
Nachdem er in den ersten Gefechten erfolgreich geblieben war, ging er 907 mit einem Großteil des bayerischen Heeres in die Offensive.
Unter bis heute unklaren Umständen erlitt er aber in der Umgebung von Pressburg, des heutigen Bratislavas (siehe Bild der Burg Devin unten), eine verheerende Niederlage. Dabei wurde ein Großteil des bayerischen Heeres, mit mehreren hohen bayerischen Würdenträgern, vernichtet.

Dies hatte enorme Folgen für Bayern unter dem neuen Markgrafen, Luitpolds Sohn Arnulf.
Um neue Mittel und Soldaten gegen weitere Ungarneinfälle zu gewinnen, säkularisierte dieser zahlreiche Klöster. Stattdessen entstanden die ersten Burgen in der Region als Fluchtpunkte für die Bevölkerung.
Dennoch konnte Arnulf die Ungarneinfälle nicht unterbinden. Die Ungarn verwüsteten Bayern häufig. Der Markgraf konnte höchstens Siege gegen Heere erringen, die mit Beute beladen auf dem Rückweg waren.
Erst der Sieg König Ottos I. auf dem Lechfeld bei Augsburg 955 beendete die Angriffe der Ungarn endgültig.
Was wäre gewesen, wenn Markgraf Luitpold die Schlacht bei Pressburg nicht verloren hätte?
4. 955: Die schlachtentscheidende Verteidigung von Augsburg
Dieser für die deutsche Geschichte bedeutende Sieg hatte viel mit den Entwicklungen im heutigen Bayerisch-Schwaben zu tun.
Aus dem Stamm der Alemannen hatte sich im Frühmittelalter westlich des bayerischen Herzogtums das Herzogtum Schwaben entwickelt.
Neben den häufig wechselnden Herzögen bildete sich die Bischofsstadt Augsburg als ein Machtzentrum dieses Gebietes heraus.
Dies zeigte sich bei den Einfällen der Ungarn, die erst in der Schlacht auf dem Lechfeld vor der Stadt beendet wurden.
Dass es so weit kam, lag daran, dass Augsburg unter dem Bischof Ulrich lange genug der Blockade und Belagerung durch die angreifenden Ungarn standhielt. So konnte das ostfränkische Reichsheer unter König Otto I. rechtzeitig heranrücken.
Bis dahin hatte Bischof Ulrich, der als Reichsfürst auch das Militär der Stadt leitete, Augsburg trotz mehrerer kritischer Situationen erfolgreich verteidigt.
Die erfolgreiche Verteidigung ermöglichte es dem Heer unter König Otto I., die Ungarn in einer dramatischen Schlacht entscheidend zu schlagen. Dieser Sieg beendete nicht nur die Ungarneinfälle, sondern gab König Otto I. genug Prestige, um sich zum Kaiser krönen zu lassen und damit das spätere Heilige Römische Reich Deutscher Nation zu begründen.
Was wäre gewesen, wenn die Ungarn Augsburg vor dem Eintreffen des Reichsheeres eingenommen hätten?
5. 1057: Das langwierige Ende der Schweinfurter
Im Jahr 1000 war das heutige Bayern machtpolitisch zweigeteilt.
In Nordbayern hatten die Grafen von Schweinfurt ein großes Herrschaftsgebiet im Raum zwischen der Stadt Schweinfurt mit ihrer Stammburg und der heutigen Oberpfalz bis zum Böhmerwald etabliert.
Diese starke Stellung nördlich ihrer Herrschaftsgebiete mit der Hauptstadt Regensburg konnte das damalige bayerische Herzogsgeschlecht der bayerischen Ottonen nicht zulassen.
Als einer der ihren als König Heinrich II. ab 1002 über das ostfränkisch-deutsche Reich regierte, brach der Konflikt zwischen ihm als bayerischer Herzog und der Schweinfurter Grafenfamilie offen aus.
Heinrich II. schlug einen Aufstand der Schweinfurter nieder und schwächte durch die Vergabe von Lehnsrechten die Stellung der Markgrafen.
Zum Beispiel gründete er, um ein Wiedererstarken der Schweinfurter zu verhindern, 1007 das Bistum Bamberg. Dieses baute er durch reiche Beschenkungen und die Vergabe von Herrschaftsrechten zum regionalen geistlichen Zentrum und einem weltlichen Machtfaktor in Nordbayern aus.
Zuletzt beschenkte er das Bistum zahlreich, zum Beispiel mit Reliquien, um eine dauerhafte Grablege für sich zu schaffen. Daher ist Heinrich II. auch im heutigen Bamberger Dom (siehe Bild) beerdigt.

Doch erst der Tod des letzten Schweinfurters, Otto, beendet 1057 die Versuche der Markgrafen, ein geschlossenes Herrschaftsgebiet im heutigen Nordbayern aufzubauen.
Wie hätte sich Nordbayern entwickelt, wenn die Schweinfurter nicht gescheitert wären?
6. 1158: Die umstrittene Gründung Münchens
Die Gründung der heutigen bayerischen Hauptstadt München war das Ergebnis eines Konfliktes zwischen dem welfisch-bayerischen Herzog Heinrich dem Löwen und Bischof Otto von Freising.
Als Beispiel galt das Zerstören der bisherigen Freisinger Isarbrücke in Oberföhring samt Markt und Zollstation durch Heinrich.
Aber Otto von Freising war kein simples Opfer. Er stand im Verdacht, mit Oberföhring bisherige Reichsrechte an Brücke, Zoll und Markt an sich gerissen zu haben.
Erste Versuche der Freisinger Seite, die Brücke wiederaufzubauen, scheiterten jedoch an Heinrichs Gegenmaßnahmen.
Dadurch gewann der von Heinrich verlegte Isarübergang an einen Ort namens „Munichen“ (siehe Foto der Isar in München aus der heutigen Zeit) immer mehr regionales Gewicht.

Diese Verlegung bestätige schließlich Kaiser Friedrich I. Barbarossa im „Augsburger Schied“ am 14. Juni 1158. Als Ersatz erhielt der Freisinger Bischof in der Urkunde ein Drittel des Münchner Brückenzolls.
Dieses Dokument gilt aufgrund der ersten Erwähnung als Gründungsurkunde von München.
Schnell entstand danach auf dem bisher weitgehend unbesiedelten Gebiet eine wachsende Stadt als überregionaler herzoglicher Stützpunkt.
Daran änderte sich auch nichts, als Kaiser Friedrich I. Barbarossa nach dem Sturz Heinrichs des Löwen 1180 den „Augsburger Schied“ für ungültig erklärte. Denn der Freisinger Bischof zog es vor, die gesicherten Einnahmen aus dem Münchner Brückenzoll zu bekommen, anstatt in Oberföhring die Infrastruktur neu aufzubauen.
Was wäre gewesen, wenn die Verlegung der Isarbrücke bis 1158 gescheitert wäre?
7. 1204: Der endgültige Durchbruch der Wittelsbacher
Als die Wittelsbacher 1180 als Nachfolger der Welfen die bayerische Herzogswürde durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa erlangten, gehörten sie zwar zum bayerischen Uradel und hatten viele Besitzungen im heutigen Bayerisch-Schwaben sowie in Ober- und Niederbayern.
Das von ihnen neu beherrschte Herzogtum war jedoch 1180 deutlich reduziert worden: Es verlor zum Beispiel die meisten Gebiete im heutigen Österreich.
Im übrigen Herzogtum standen mehrere mächtige Adelsfamilien dem Herrschaftsanspruch der neuen Herzöge entgegen.
In Niederbayern agierten die Grafen von Bogen als Vormacht. Sie herrschten zum Beispiel von Burgen wie Natternberg beim wichtigen Donauübergang Deggendorf (siehe Bild aus der heutigen Zeit) und dominierten die Besiedlung des Bayerischen Waldes.

Die Wittelsbacher versuchten, diese regionale Herrschaft zu brechen. Die Kämpfe endeten zuerst ohne eindeutigen Sieger.
Erst als 1204 sowohl der amtierende Graf von Bogen starb und gleichzeitig die Markgrafen von Cham-Vohburg endgültig ausstarben, gelang den Wittelsbachern der Durchbruch.
Denn Herzog Ludwig I. heiratete die Witwe des Bogener Grafen, womit er Ansprüche auf dessen Erbe geltend machen konnte. Und er zog den Besitz der Markgrafen von Cham-Vohburg komplett ein. Damit verschaffte er sich die Vormacht im niederbayerischen Raum bis zur böhmischen Grenze.
Auch später profitierten die Wittelsbacher Herzöge vom Aussterben regionaler Herrscher. 1248 starb zum Beispiel der letzte Herzog von Andechs-Meranien kinderlos und unter ungeklärten Umständen. Danach gelang es den Wittelsbachern, den oberbayerischen Besitz der Andechs-Meranier, zum Beispiel bei München, an sich zu bringen und den oberbayerischen Raum endgültig zu dominieren.
In der Oberpfalz zogen die Wittelsbacher 1305/1307 endgültig den Besitz der ehemaligen Grafen von Sulzbach ein, die weite Teile des späteren Bezirks beherrscht hatten. In diesem Fall war es eine längere Entwicklung, bis sämtliche Nachfolgefamilien der Grafen von Sulzbach ausgestorben waren.
Was wäre gewesen, wenn die ersten Wittelsbacher Herzöge mit ihrem Machtanspruch 1204 gescheitert wären?
8. 1245: Die freie und Reichsstadt Regensburg
Die Entwicklung des bayerischen Herzogtums unter den Wittelsbachern ging jedoch nicht nur in eine Richtung. Denn die neuen Herzöge mussten auch Verluste hinnehmen, zum Beispiel Regensburg.
Die Stadt entwickelte sich im Mittelalter nicht nur zum politischen und kulturellen Hauptort des bayerischen Herzogtums. Gestützt auf den wachsenden europäischen Handel mit Luxusgütern über die Donau – aber auch über den Regen nach Böhmen – wuchs die Stadt zur größten Wirtschaftsmetropole im süddeutschen Raum heran.
Zeugnis dieser Bedeutung und des Reichtums waren der Bau der Steinernen Brücke als einzigem festen Donauübergang zwischen Ulm und Wien von 1135 bis 1146 sowie des Doms ab 1273 (siehe Bild unten). Hinzu kamen zahlreiche Geschlechtertürme als Ausweis des Reichtums der Patrizier.

Entsprechend umkämpft waren die Herrschaftsrechte in der Stadt zwischen den bayerischen Herzögen und den Bischöfen von Regensburg. Auch der deutsche König, ab 1138 aus der Familie der Staufer, versuchte, die Metropole mehr an seine Herrschaft zu binden.
Dieses Spannungsfeld nutzten die reichen Bürger, um immer mehr Rechte der verschiedenen Streitparteien an sich zu ziehen. 1245 gewährte ihnen schließlich Kaiser Friedrich II. das Recht der freien Wahl von Bürgermeistern und Stadträten. Regensburg wurde freie und Reichsstadt.
Was für ein bedeutender Verlust die Stadt für die bayerischen Herzöge war, zeigten mehrere Versuche, die „verlorene Hauptstadt“ zurückzuerobern. Der damit einhergehende Wirtschaftskrieg und sich verändernde Handelsströme führten aber zu einer Verarmung der Reichsstadt.
Gleichzeitig entwickelte sich Regensburg im 16. Jahrhundert zu einem beliebten Standort für die Reichstage, die regelmäßigen Versammlungen der Kurfürsten, Fürsten und Reichsstädte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Als 1663, als der Reichstag nicht mehr wie üblich seinen Abschied nahm, entwickelte sich die Stadt sogar zum permanenten Sitz dieser Institution bis zum Ende des Reiches 1806.
Wie hätte sich Regensburg entwickelt, wenn die Stadt bayerische Hauptstadt geblieben wäre?
9. 1268: Der zersplitternde Tod von Konradin
Im Gegensatz zu Bayern war Schwaben, und damit Bayerisch-Schwaben, im Hochmittelalter ein Zentrum der mittelalterlichen Kaiserherrschaft.
Diese Entwicklung hing an der Verbindung von schwäbischer Herzogswürde und römisch-deutschem Kaisertitel in der Familie der Staufer seit 1138.
Diese Verbindung erlosch jedoch, als König Konrad 1254 nur 26-jährig bei einem Kriegszug im Königreich Sizilien starb.
Damit endete nicht nur die Linie der staufischen Könige und Kaiser. Auch die Zentralmacht im Herzogtum Schwaben begann, sich langsam aufzulösen.
Zwar gab es danach mit Konradin noch einen Staufer, der mit 10 Jahren zum Herzog von Schwaben erhoben worden war. Ihm gelang es jedoch aufgrund seines Alters nicht, das Herzogtum unter Kontrolle zu bekommen.
Zudem wurde er 1268 nach seiner Niederlage im Kampf um das Erbe in Sizilien hingerichtet, womit die Staufer als Herrschaftsgeschlecht aufhörten zu existieren.
Das schwäbische Herzogtum zersplitterte sich danach in eine Vielzahl von Herrschaften (siehe Karte aus dem Jahr 1400).

Davon profitierten ausgehend von Augsburg, Ulm und Memmingen vor allem zahlreiche Städte, die zu den „oberschwäbischen Reichsstädten“ heranwuchsen.
Diese Zersplitterung blieb als „Fleckerlesteppich“ für Bayerisch-Schwaben typisch für die nächsten Jahrhunderte, ebenso wie die ständigen Konflikte mit den bayerischen Herzögen, die das Erbe der Staufer in Schwaben für sich reklamierten, um Herrschaftsrechte.
Wie hätten sich Schwaben und Bayern entwickelt, wenn Konradin nicht hingerichtet worden wäre?
10. 1313: Die entscheidende Schlacht bei Ampfing/Mühldorf
An anderer Stelle waren die bayerischen Herzöge im 14. Jahrhundert erfolgreicher.
Als am 28. September 1322 die Heere der Wittelsbacher und der Habsburger bei Ampfing oder Mühldorf (beides in Oberbayern) aufeinandertrafen, entschied sich nicht nur der Streit um die deutsche Königskrone zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen.
Durch den Sieg Ludwigs, der daraufhin König und Kaiser wurde, kam es auch zu neuen Entwicklungen für die Geschichte von Bayern.
Die Schlacht selbst wurde daher stark mythologisiert, wodurch wenige Details klar sind.
So ist zum Beispiel nicht geklärt, warum Friedrich trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit die von Ludwig angebotene Schlacht annahm, an deren Ende der Habsburger in Gefangenschaft geriet. Denn von Süden marschierten noch Verstärkungen seines Bruders heran, die die Heeresgrößen zugunsten von Friedrich gedreht hätten.
Auch die konkrete Rolle von Ludwig (siehe Statue aus der heutigen Zeit) in der Schlacht ist bis heute unklar.

Für Bayern hatte die gewonnene Schlacht große Folgen.
Zum Beispiel für München bedeutete die Königs- und Kaiserkrone von Ludwig trotz dessen fortwährenden Kämpfen mit Habsburgern, Luxemburgern und dem Papst eine enorme Aufwertung. Denn die Stadt blieb weiter seine geförderte Hauptresidenz und wurde beispielsweise zum europaweiten Sammelpunkt von papstkritischen Intellektuellen.
Was wäre gewesen, wenn Ludwig der Bayer die Schlacht von Ampfing/Mühldorf verloren hätte?
11. 1329: Der zersplitternde Hausvertrag von Pavia
Diese Vormachtstellung der bayerischen Wittelsbacher endete jedoch schnell.
Um die ständigen Querelen innerhalb der Wittelsbacher zu beenden, teilte Kaiser Ludwig der Bayer die Territorien seiner Familie im Hausvertrag von Pavia.
Der Versuch, durch einen Interessenausgleich die Einheit der Familie zu wahren, war jedoch erfolglos.
Stattdessen spaltete sie sich in zuerst zwei Hauptlinien, eine pfälzische mit dem Zentrum um Heidelberg und eine bayerische mit den meisten Besitzungen im heutigen Ober- und Niederbayern.
Da die Pfalz an sich zu klein für ein Machtgleichgewicht war, kamen im Hausvertrag von Pavia Teile des bayerischen Nordgaus zur pfälzischen Linie. Aus diesen entwickelte sich die „Obere Pfalz“.
Die bayerische Linie begann sich danach sogar noch weiter aufzuspalten, bis 1392 sogar vier Familien existierten (siehe Karte unten).

Einerseits profitierten viele Städte von der Aufteilung. So wurde Amberg erstmals Sitz des Regierungsamts und Residenzstadt für die kurpfälzischen Statthalter in der Oberpfalz. Nicht selten waren dies die Söhne und designierten Nachfolger der Pfalzgrafen.
Die Zersplitterung der Herrschaft und die internen Konflikte innerhalb der Familie sorgten jedoch dafür, dass die bayerischen Herzöge im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nicht als einheitlicher Machtfaktor auftreten konnten.
Wie hätte sich Bayern ohne den Hausvertrag von Pavia entwickeln können?
12. 1373: Das kurzfristige Ende von Neuböhmen
Kaiser Karl IV., Nachfolger von Ludwig dem Bayern, nutzte diese Zersplitterung für seine eigene Machtpolitik.
Er wollte einen Landkorridor aufbauen, der von der heutigen Tschechischen Republik, die er als König von Böhmen beherrschte, bis zu den Zentren des Heiligen Römischen Reiches, Nürnberg und Frankfurt, reichte.
Dazu erwarb er bis 1353 Gebiete in der nördlichen Oberpfalz (auf der Karte der grüne Zipfel links von Böhmen), die er von Sulzbach aus verwalten ließ.

Diese Herrschaft, kurz Neuböhmen genannt, förderte er durch gezielte Vergabe von Privilegien sowie den Ausbau des Straßen- und Handelsnetzes der „Goldenen Straße“.
Besonders profitierte Nürnberg von Neuböhmen. Die Handelsgesellschaften der Stadt finanzierten große Teile der Pläne Karls IV. im Ausgleich für Handelsprivilegien in dessen Herrschaftsgebiet. Der Kaiser wertete Nürnberg entsprechend auf, beispielsweise in der dort verkündeten „Goldenen Bulle“ 1356 als „vornehmste und bestgelegendste Stadt des Reiches“.
Jedoch gab Karl IV. seine Ziele 1373 kurzfristig auf: Im Vertrag von Fürstenwalde tauschte er große Teile von Neuböhmen gegen die strategisch wichtigere Mark Brandenburg.
Zwar gab es um Auerbach in der Oberpfalz noch ein kleines Restgebiet. Dieses ging aber unter Karls Nachfolger Wenzel in kriegerischen Auseinandersetzungen fast vollständig verloren.
Wie hätte sich ein länger bestehendes Neuböhmen auf Bayern ausgewirkt?
13. 1435: Die berühmte Ermordung von Agnes Bernauer
In Straubing spielte sich zwischen 1433 und 1435 eine Episode ab, die entscheidend für die bayerischen Wittelsbacher war.
Denn dort residierte mit Albrecht, dem einzigen Sohn von Herzog Ernst, der einzige, herrschaftsfähige Nachkomme der Linie Bayern-München.
Daher erregte seine Affäre mit Agnes Bernauer, über die selbst nicht viel bekannt ist, die Aufmerksamkeit des Münchner Hofes.
Denn es gab bis heute unbestätigte, aber in der Forschung nicht mehr bezweifelte Gerüchte um eine Eheschließung von Albrecht mit der nicht standesgemäßen Frau. Beide agierten in Straubing zunehmend selbstständig gegenüber dem Hof in München.
Da damit die Einheit des Herzogtums und der Fortbestand der Linie Bayern-München in Gefahr waren, entschloss sich Herzog Ernst zu einem riskanten Manöver.
Er nutzte die Abwesenheit seines Sohnes bei einem Jagdausflug, um Agnes Bernauer am 12. Oktober 1435 in Straubing verhaften zu lassen. Danach ließ er sie dort in der Donau (siehe Bild aus der heutigen Zeit) ertränken.

Der erzürnte Albrecht plante zuerst mit den verwandten Herzögen von Bayern-Landshut einen Krieg gegen seinen Vater.
Bereits 1436 söhnte er sich aber mit Ernst aus, heiratete standesgemäß und sicherte den Weiterbestand der Herzöge von Bayern-München. Die Linie von Bayern-München vereinte schließlich nach dem Aussterben der anderen bayerischen Linien das bayerische Herzogtum wieder unter einem Herrscher.
Agnes Bernauer und ihre tragische Geschichte brachten es dagegen zu einem gewissen Nachruhm, zum Beispiel durch die in Straubing alle vier Jahre stattfindenden „Agnes-Bernauer-Festspiele“.
Was wäre gewesen, wenn der Plan zur Ermordung von Agnes Bernauer 1435 gescheitert wäre?
14. 1607: Die illegale Besetzung von Donauwörth
Diese bayerischen Herzöge spielten eine große Rolle, als Anfang des 17. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten eskalierten.
Ein Höhepunkt war der Konflikt in der freien und Reichsstadt Donauwörth.
Die Stadt war mehrheitlich protestantisch, hatte aber eine katholische Minderheit um das Kloster Heilig Kreuz (siehe Bild) zu dulden.

In dieser Ausgangslage ereigneten sich 1606 und 1607 die sogenannten „Kreuz- und Fahnengefechte“. Dabei griffen Protestanten katholische Prozessionen, deren Auftreten mit Kreuzen und Fahnen sie als Provokation empfanden, an und jagten die Katholiken auseinander.
Nachdem Kaiser Rudolf II. 1606 die Reichsacht angedroht hatte, verfügte er diese nach dem zweiten „Gefecht“ ein Jahr später.
Eigentlich wäre der protestantische württembergische Herzog als Obmann des schwäbischen Reichskreises, zu dem Donauwörth gehörte, für die Exekution zuständig gewesen.
Rudolf II. beauftragte allerdings den katholischen, bayerischen Herzog Maximilian I.
Dieser nutzte die Gelegenheit, um die Stadt zu besetzen und de facto zu annektieren. Als er Donauwörth rekatholisierte, führte dies zur Auswanderung vieler Protestanten.
Die protestantischen Mächte des Reiches sahen diese Entwicklung als Bedrohung und schlossen sich zu einem Bündnis zusammen. Daher galt die Besetzung von Donauwörth als einer der bedeutendsten Auslöser des Dreißigjährigen Krieges wenige Jahre später.
Was wäre gewesen, wenn nicht der bayerische, sondern der zuständige württembergische Herzog die Reichsacht in Donauwörth exekutiert hätte?
15. 1704: Die zu Beginn verlorene Schlacht von Höchstädt
Die in Folge des Dreißigjährigen Krieges zu Kurfürsten aufgestiegenen bayerischen Wittelsbacher planten vor allem unter Maximilian II. Emanuel eine europäische Großmachtpolitik. So stellte er sich zu Beginn des „Spanischen Erbfolgekrieges“ 1702 auf die Seite des Königreichs Frankreich und damit gegen das Heilige Römische Reich unter den Habsburger-Kaisern.
Obwohl von feindlichen Mächten umgeben, gelang es dem militärisch erfahreneren Kurfürsten, Bayern zu verteidigen und Vorstöße gegen die Habsburger zu unternehmen. Bis diese in so große militärische Schwierigkeiten gerieten, dass die englisch-niederländischen Alliierten eine Armee unter dem Herzog von Marlborough entsandten. Als Reaktion schickten die Franzosen auch Verstärkungen.
Am Ende von mehreren Manövern stellte die alliierte Armee unter Marlborough und Prinz Eugen von Savoyen in der Nähe des Schlosses Höchstädt (in Bayerisch-Schwaben, siehe Bild unten) die bayerisch-französische Armee unter Maximilian II. Emanuel sowie den Marschällen Tallard und Marsin vor Höchstädt.

Obwohl die französisch-bayerischen Linien unter dem Befehl von Maximilian II. Emanuel und Marsin mehrere Attacken bis zur Erschöpfung der Angreifer abwehrten und sogar Gegenangriffe starteten, beging die Armee von Tallard bereits zu Beginn einen entscheidenden Fehler beim Dorf Blindheim.
Die zuerst angegriffenen Franzosen verstärkten ihre Garnison dort so stark, dass ihnen keine Reserven mehr blieben. Obwohl Tallard mehrere Attacken zurückschlagen konnte, brach Marlborough genau westlich des Dorfes massiv durch die Linien der Verteidiger. Die übrigen Einheiten von Tallards Armee flohen, aber die Truppen von Maximilian II. Emanuel und Marsin zogen sich geordnet zurück.
Doch die Niederlage entwickelte sich durch Bindheim zur Katastrophe. Marschall Tallard wurde beim Versuch, das Dorf zu erreichen, gefangen genommen. Die demoralisierten und ohne Befehlshaber verbliebenen Franzosen kapitulierten dort in großer Masse.
Dadurch verblieb der übrigen bayerisch-französischen Armee nicht mehr genug Schlagkraft, um den Alliierten weiteren Widerstand in Bayern entgegenzusetzen. Bis 1714 wurde Bayern besetzt und ausgeplündert. Aufflammende Rebellionen wurden, wie in der „Sendlinger Mordweihnacht“, unterdrückt. Die Gefahr eines militärischen Zusammenbruchs der Habsburger war beendet.
Wie hätten sich die Schlacht und der weitere Krieg in Bayern entwickelt, wenn die Franzosen ihre Soldaten nicht in Blindheim konzentriert hätten?
16. 1778: Das österreichische Niederbayern
1777 endete die bayerische Linie der Wittelsbacher, als Kurfürst Maximilian III. Joseph kinderlos starb.
Nach den Wittelsbachischen Erbverträgen hätte nun der Pfälzer Kurfürst Karl Theodor (siehe Bild) die Macht in ganz Bayern ergreifen sollen.

Kaiser Joseph II. sah aber nach den verlorenen Schlesischen Kriegen gegen den preußischen König Friedrich II. die Gelegenheit zu Gebietsgewinnen.
Er übte Druck auf Karl Theodor aus und schloss mit ihm 1778 die „Wiener Konvention“. Darin trat Karl Theodor unter anderem Gebiete um Straubing und Burghausen an Österreich ab.
Als die einmarschierenden kaiserlichen Armeen aber fast ganz Ostbayern bis kurz vor Landshut besetzten, rief dies Friedrich II. auf den Plan.
Zusammen mit anderen Reichsfürsten stellte er sich im sogenannten „Bayerischen Erbfolgekrieg“ gegen die Wiener Konvention.
Nachdem der „Kartoffelkrieg“ oder „Zwetschgenrummel“ genannte Konflikt ohne große kriegerische Entscheidung geblieben war, beendete erst der Frieden von Teschen 1779 die Auseinandersetzungen.
Der Großteil von Niederbayern wurde wieder bayerisch. Nur das Innviertel mit den Städten Braunau und Schärding blieb bis in die heutige Zeit österreichisch.
Was wäre gewesen, wenn die Österreicher 1778 nur die ihnen durch die "Wiener Konvention" zugestandenen bayerischen Gebiete besetzt hätten?
17. 1791: Die amouröse Abdankung des letzten Markgrafen
Während die Wittelsbacher die heutigen Bezirke Nieder- und Oberbayern sowie die Oberpfalz beherrschten, war Franken in zahlreiche Territorien zersplittert. Eine gewisse Vormacht hatten dort neben den Fürstbischöfen von Bamberg und Würzburg die Markgrafen aus der fränkischen Linie der Hohenzollern inne.
1769 vereinigte Markgraf Karl Alexander diese Gebiete um Ansbach und Bayreuth unter seiner Herrschaft.
Er war ein Anhänger des aufgeklärten Absolutismus und förderte zum Beispiel die Universität in Erlangen (siehe Bild).

Auch bei der Wahl seiner Partnerinnen zog er persönliche Interessen dynastischen Erwägungen vor: Während sich seine erste Geliebte nicht in die Politik einmischte, tat dies jedoch die zweite, Lady Elisa Craven.
Sie nutzte vor allem den Pessimismus des Markgrafen über die Zukunft seiner Länder, die durch seine Kinderlosigkeit nach seinem Tod an Preußen fallen sollten.
Daher gelang es Craven, ihn davon zu überzeugen, bereits im Januar 1791 seine Länder in einem Geheimvertrag an Preußen zu übertragen. Als er gegen eine finanzielle Zuwendung im Dezember 1791 zurücktrat, gingen so Ansbach und Bayreuth an Preußen – bis 1806.
In diesem Jahr – fast 15 Jahre nach seiner Abdankung – verstarb Karl Alexander mit knapp 70 Jahren.
Wie hätte sich das fränkische Hohenzollerngebiet entwickelt, wenn Karl Alexander nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt abgedankt hätte?
18. 1810: Der bayerisch-württembergische Pariser Vertrag
Infolge der Kriege des revolutionären Frankreichs und später des Kaisers Napoleon kam es in diesen Jahren zu großen Umwälzungen in Bayern, Franken und Schwaben.
So expandierte das seit 1806 als Königreich existierende Bayern in Richtung Schwaben und Franken.
Ein entscheidender Einschnitt war der Grenzvertrag mit Württemberg, den Bayern 1810 in Paris schloss.
Darin trat es das 1802/1803 erworbene Ulm an das benachbarte Königreich ab und erhielt von Frankreich das ehemalige Fürstentum Bayreuth.
Zuvor hatte eine bayerisch-württembergische Kommission die bisherige Grenze (siehe Karte) zwischen beiden Staaten neu verhandelt und sich dabei an den Flüssen als Grenze orientiert.

Der Grenzvertrag hatte auch Folgen für andere Teile Bayerns: So machte er Memmingen zur Grenzstadt. Im heutigen Oberfranken verschob sich das Zentrum durch den Vertrag. Denn der Regierungssitz wechselte in das neu erworbene Bayreuth und die ehemalige Bischofsresidenz Bamberg verlor an Bedeutung.
Der Vertrag stand stellvertretend für die verschiedenen Veränderungen in Bayern während der Ära Napoleons.
So nahm das Königreich Bayern wenige Tage nach dem Grenzvertrag endgültig Regensburg in Besitz und machte es zur Hauptstadt des späteren Bezirks Oberpfalz. Dafür büßte Amberg seine jahrhundertealte Hauptstadtfunktion ein.
Was wäre gewesen, wenn der Grenzvertrag anders verhandelt worden wäre?
19. 1838: Die umstrittene Ludwig-Süd-Nord-Bahn
Als das Eisenbahnzeitalter in Bayern anbrach, bedeutete dies für verschiedene Regionen langfristige Entscheidungen. Denn die Eisenbahn war im 19. Jahrhundert der entscheidende Treiber für die Industrialisierung der an sie angeschlossenen Städte und Regionen.
Entsprechend war die geplante Trasse der Ludwig-Süd-Nord-Bahn umstritten. Denn sie war die erste ganz Bayern durchquerende Eisenbahnstrecke.
So bildeten sich in Bayreuth und Hof Eisenbahnkomitees, die für einen Anschluss an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn warben. Bayreuth argumentierte mit dem Hauptstadtstatus, Hof mit einem besseren Anschluss an das sächsische Eisenbahnnetz.
1838 entschied König Ludwig I. schließlich, dass die Strecke in Oberfranken von Bamberg über Kulmbach nach Hof führen sollte. Damit gewann Hof nicht nur einen Verkehrsknotenpunkt, sondern auch die Möglichkeit zur Versorgung mit Steinkohle aus dem Zwickauer Revier. So wurde Hof eine der ersten Industriestädte von Oberfranken und Bayern.
Auch in Bayerisch-Schwaben war die Streckenführung der Ludwig-Süd-Nord-Bahn umkämpft. Ursprünglich sollte die Strecke zwischen Augsburg und Lindau auf einer technisch einfacheren Route gebaut werden. Denn das Allgäu war aufgrund seiner gebirgigen Landschaft (siehe Bild aus der heutigen Zeit unten) für Planer und Ingenieure bereits eine enorme Herausforderung.

Der geplanten Streckenführung widersetzten sich jedoch Kempten und Kaufbeuren am Ende erfolgreich, und die Bahnstrecke musste auf der technisch schwierigeren Route gebaut werden. Letztere erwies sich jedoch als wirtschaftlich erfolgreich und förderte die ab 1840 einsetzende Industrialisierung im Allgäu, zum Beispiel mit Textilherstellung in Kaufbeuren.
Auch andere neue Eisenbahnstrecken waren umstritten: In Unterfranken sorgte die Ludwigs-West-Bahn ab 1852 durch eine länger als ursprünglich geplante Streckenführung für das Aufblühen von Schweinfurt als Industriestandort. In der Oberpfalz profitierten Schwandorf und Weiden von der Eisenbahn, während Amberg verkehrstechnisch zurückfiel.
Was wäre gewesen, wenn sich König Ludwig I. für eine der anderen Eisenbahnstrecken entschieden hätte?
20. 1886: Der vermeidbare Tod von Ludwig II.
Als das Königreich Bayern 1871 Teil des Deutschen Reiches wurde, verlor der junge König Ludwig II. große Teile seiner bisherigen Macht. Als er, und der ihn begleitende Psychiater Bernhard von Gudden am Abend des 13. Juni im Starnberger See starben, begann mit dem bis heute ungeklärten und von zahlreichen Theorien überwucherten Tod der Mythos um den „Märchenkönig“.
Verstärkt durch seine heute als Tourismusmagneten bestehenden Bauten Linderhof, Herrenchiemsee (beides in Oberbayern) und das im Allgäu liegende Neuschwanstein prägte er das Bild von Bayern bis in die heutige Zeit.
Deren Baukosten führten aber 1886 mit zur Absetzung von Ludwig II. Erleichtert wurde dies durch sein immer soziopathischeres Verhalten, das in Regierung und Bevölkerung auf Unverständnis stieß.
Als für die amtierende Landesregierung die Gefahr bestand, vom König abgesetzt zu werden, stieß diese seine rechtlich umstrittene Absetzung an. Basis war ein fachlich ungeeignetes Gutachten durch Bernhard von Gudden.
Als eine Kommission am 10. Juni 1886 in Neuschwanstein (siehe Bild) eintraf, um Ludwig II. abzusetzen, endete ihr Besuch im Desaster. Auf Befehl des Königs nahm die Gendarmerie von Füssen deren Mitglieder gefangen.

Dann jedoch blieb Ludwig II. überraschenderweise passiv. Weder folgte er Ratschlägen, nach München zu fahren, um sich dem Volk zu zeigen, oder nach Tirol zu fliehen. Noch ergriff er weitere Sicherungsmaßnahmen oder regierte auf die ohne sein Wissen erfolgte Freilassung der Kommission.
Vermutungen gehen davon aus, dass der wirklich kranke König unter einem plötzlichen Schub von Depression litt.
Der Rest der Geschichte ist Teil des Mythos: In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli ließ sich Ludwig II. ruhig und widerstandslos durch eine zweite Kommission unter von Gudden gefangen nehmen. Erst der am nächsten Tag erfolgte mysteriöse Tod machte aus der „Königskrise“ dann den „Märchenkönig“.
Was wäre gewesen, wenn Ludwig II. zwischen dem 10. und 12. Juni nach München oder Tirol geflohen wäre oder sich gegen eine Gefangennahme geschützt hätte?
21. 1919: Die sekundenschnelle Ermordung von Kurt Eisner
Am 21. Februar 1919 schien die Zeit linker Macht in München und Bayern endgültig zu Ende zu gehen: Zwar wurde das Land seit dem Sturz der Wittelsbacher Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges von einer Revolutionsregierung unter dem Ministerpräsidenten Kurt Eisner regiert.
Dieser unabhängige Sozialdemokrat hatte am 7. November 1918 die Republik ausgerufen und danach den Freistaat Bayern begründet.
Nach der Niederlage bei der ersten freien Landtagswahl 1919 war Eisner aber nach Druck durch die Mehrheitssozialdemokraten bereit, zurückzutreten.
Doch dazu kam es nicht, als er die heutige Karl-Faulhaber-Straße (siehe Bild) betrat.

Auf dem kurzen Weg zwischen seinem Dienstsitz und dem Landtag folgte der demobilisierte Offizier Anton Graf Arco-Valley dem noch amtierenden Ministerpräsidenten, ohne von dessen beiden Leibwächtern und dessen Sekretär bemerkt zu werden.
So gelang es Arco-Valley schnell hinter Eisner zu kommen, eine Pistole zu ziehen und zwei Schüsse in dessen Nacken abzugeben. Der Ministerpräsident war auf der Stelle tot.
Dies löste eine Welle von Unruhen, Attentaten und linken Aufständen in München und Bayern aus.
So kam es zur Ausrufung von mehreren, immer radikaleren Räterepubliken in München und Umgebung, die erst durch rechtsradikale Freikorps blutig niedergeschlagen wurden.
Wie hätte sich die Lage in München und Bayern entwickelt, wenn das Attentat auf Eisner erfolglos gewesen wäre?
23. 1923: Der gescheiterte Hitler-Putsch
In den 1920er Jahren galt Bayern daher als Zentrum der politischen Rechten im Deutschen Reich. So vertrat der Ministerpräsident Gustav Ritter von Kahr das Konzept einer „Ordnungszelle Bayern“ gegen die „marxistische“ und „verjudete“ Weimarer Republik.
Im Herbst 1923 eskalierte dieser ideologische Konflikt auf politischer Ebene. Der mit diktatorischen Vollmachten als Generalstatthalter regierende von Kahr ignorierte einen von Reichspräsident Friedrich Ebert verhängten reichsweiten Ausnahmezustand und unterstellte rechtswidrig die bayerischen Reichswehreinheiten seinem Oberbefehl. In seinem Umfeld gab es Pläne, die „Ordnungszelle Bayern“ als Ausgangspunkt für eine nationale Erhebung und einen „Marsch auf Berlin“ zu nutzen.
Diese angespannte Atmosphäre wollte Adolf Hitler mit seiner inzwischen 40.000 Mitglieder umfassenden NSDAP ausnutzen. Die Nationalsozialisten waren unter ihm zu einer starken Kraft im rechtsextremistischen Spektrum herangewachsen, ohne Einfluss auf die Landespolitik zu gewinnen.
Ausgangspunkt der Pläne Hitlers war eine Kundgebung der „Vaterländischen Verbände“ im Münchner Bürgerbräukeller am 8. November 1923, bei der auch von Kahr, Ministerpräsident von Knilling sowie die Oberbefehlshaber der bayerischen Reichswehr und der Landespolizei anwesend waren.
Zwar gelang es den Nationalsozialisten unter Adolf Hitler und dem bekannten Weltkriegsgeneral Erich von Ludendorff, diese Kundgebung zu stürmen und unter dem Jubel des Publikums eine „nationale Revolution“ zu verkünden.
Als sie jedoch die anwesenden Landespolitiker entließen, begannen diese, den Widerstand gegen den „Hitlerputsch“ zu organisieren.
Daher scheiterte ein Demonstrationszug am nächsten Tag im Feuer der bayerischen Landespolizei an der Feldherrnhalle (siehe Bild aus der heutigen Zeit).

Nach der Niederschlagung des „Hitlerputsches“ kam es zu einer kurzfristigen Schwächung der „Ordnungszelle Bayern“. Langfristig profitierte aber Adolf Hitler von der durch den Putsch und die darauffolgende Gerichtsverhandlung gestiegenen Bekanntheit.
Wie hätte sich der "Hitlerputsch" in München entwickelt, wenn die Nationalsozialisten die im Bürgerbräukeller anwesenden Landespolitiker nicht freigelassen hätten?
24. 1939: Das zu präzise Attentat von Georg Elser
Diesen Putschversuch feierten die Nationalsozialisten jedes Jahr, vor allem nach ihrer Machtergreifung 1933, am Jahrestag in München.
1938 brachte dies den Möbeltischler Georg Elser auf die Idee eines Attentats.
Dieses bereitete er akribisch vor.
- Er ließ sich an 30 Tagen im Bürgerbräukeller einsperren, um eine Säule neben dem Rednerpult von Hitler für seine Bombe auszuhöhlen.
- Zusätzlich wählte er eine Säule aus, die statisch enorm wichtig für den Keller war, denn sie stabilisierte zwei Längs- und einen Querträger, die weitere Träger stützten.
- Er baute in den Mechanismus zwei Uhrwerke ein, um eine zeitlich präzise Detonation zu sichern.
- Die Bombe an sich war, wie selbst die Ermittler einräumten, meisterhaft konstruiert und funktionierte problemlos.
Alles verlief wie geplant: Am 8. November 1939 explodierte um 21 Uhr 20 die Bombe und führte nach der unmittelbaren Detonation zum Einsturz der ganzen Dachkonstruktion. Der Bürgerbräukeller war danach eine einzige Trümmerlandschaft und es kam zu acht Toten sowie 63 Verletzten.
Nur Hitler (siehe Bild) und seine Entourage waren nicht darunter.

Entgegen der Ankündigung und seiner sonstigen Redegewohnheit hatte Hitler den Saal bereits 13 Minuten vor der Explosion verlassen. Denn im nebligen München musste er statt mit dem Flugzeug mit dem früher fahrenden Zug reisen.
Damit scheiterte das durch den Einzelgänger perfekt vorbereitete Attentat.
Elser wurde bereits vor dem Attentat beim gescheiterten Grenzübertritt verhaftet und später mit dem Anschlag in Verbindung gebracht. Danach wurde er gefoltert, ins Konzentrationslager eingeliefert und dort kurz vor Kriegsende ermordet. Erst lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sein Attentatsversuch Teil der bundesdeutschen Erinnerungskultur.
Was wäre gewesen, wenn das Attentat auf Hitler 1939 gelungen wäre?
25. 1945: Die tödlich verhinderte Verteidigung von Amberg
Am Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges ging es für viele bayerische Städte nur noch darum, einer Zerstörung zu entgehen.
Denn als die US-Amerikaner im April 1945 nach Bayern vorstießen, war die fast zerschlagene Wehrmacht zu keinem durchgängigen Widerstand mehr in der Lage. Da die Angreifer allerdings kurz vor Ende Krieges keine Risiken mehr eingehen wollten, führte auch nur geringer örtlicher Widerstand zu massiven Bombardements durch die US-Luftwaffe und Artillerie. Das erlebte zum Beispiel das oberpfälzische Neumarkt, das von wenigen hundert Soldaten mehrere Tage verteidigt und so fast vollständig zerstört wurde.
Im benachbarten Amberg waren die meisten nationalsozialistischen Verantwortlichen gegen eine Verteidigung der Stadt durch die wenigen verbliebenen Truppen. Zumal die Stadt (siehe Bild vom Mariahilfberg aus der heutigen Zeit) bis dahin von größeren Zerstörungen verschont geblieben war.

Der Kreisleiter der NSDAP, Artur Kolb, forderte jedoch eine bedingungslose Verteidigung von Amberg und die anderen Verantwortlichen, darunter der Bürgermeister, wagten nicht, gegen ihn zu agieren.
Als die US-Amerikaner daraufhin am 22. April die Beschießung der Stadt begannen, wollte Kolb mit einem Auto die Front am Mariahilfberg inspizieren. Dabei geriet sein Wagen in das Gewehrfeuer der Angreifer. Kolb wurde schwer verwundet und starb kurz darauf.
Das so entstandene Machtvakuum nutzten die restlichen Amberger Verantwortlichen, um zu kapitulieren. Daher nahmen die US-Amerikaner Amberg am 23. April ohne Widerstand und ohne größere Zerstörungen ein.
Solche dramatischen Entwicklungen spielten sich auch in anderen Städten ab: Im schwäbischen Nördlingen konnten nur zähe Verhandlungen mit dem Stadtkommandanten der Wehrmacht das Einziehen von weißen Flaggen so lange verzögern, bis der Kommandant die Stadt verließ und Nördlingen ohne Zerstörung an die US-Amerikaner übergeben werden konnte.
Was wäre gewesen, wenn der Amberger NSDAP-Kreisleiter Kolb nicht am 22. April erschossen worden wäre?
26. 1945: Das Kaufbeurer Neu-Gablonz
Als es nach 1945 zur Vertreibung unter anderem der Sudetendeutschen kam, suchte eine Gruppe um den Diplomingenieur Erich Huschka einen neuen Standort für die Vertriebenen aus der Stadt Gablonz an der Neiße. Diese war bis dahin ein Zentrum der böhmischen Glas- und Schmuckherstellung gewesen. Diese Wirtschaftsstruktur wollte die Gruppe in Deutschland wiederaufbauen.
Dazu sondierten sie verschiedene Regionen, zum Beispiel in Süddeutschland und im Bayerischen Wald. Kaufbeuren (siehe Bild unten) in Bayerisch-Schwaben war eine Möglichkeit wegen einer ehemaligen Sprengstofffabrik mit einem großen Gelände und eigener Versorgungsinfrastruktur.

Allerdings war der für Wirtschaftsfragen zuständige Beamte im Kaufbeurer Rathaus gegen eine Ansiedlung der Vertriebenen, da er das Gelände als ungeeignet ansah.
Huschka gelang es, diesen Widerstand zu überwinden, indem er einen ausgearbeiteten Ansiedlungsplan für Kaufbeuren direkt an die bayerischen Ministerien schickte. Diese waren sehr daran interessiert, die Gablonzer Industrien in Bayern anzusiedeln. Der damalige bayerische Wirtschaftsminister Ludwig Erhard favorisierte allerdings eine Ansiedlung der Gablonzer mehrheitlich im Fichtelgebirge und in Bayreuth.
Ein weiteres Hindernis waren Vorbehalte der US-amerikanischen Besatzungsbehörden, die gegen eine geschlossene Ansiedlung der Sudetendeutschen auf diesem Gelände waren. Dies konnte der Oberbürgermeister von Kaufbeuren erst umgehen, als er die kommunale Planungshoheit über das Gelände beanspruchte. Damit übernahm die Stadt auch die Verantwortung für die kostspielige Infrastruktur von den US-Amerikanern.
Somit gelang es ab Juni 1946, die Gablonzer im neuen Stadtteil Kaufbeuren-Hart anzusiedeln. 1952 erfolgte die Umbenennung in Kaufbeuren-Neugablonz. Die dort angesiedelte Industrie erwies sich bis in die 1970er Jahre als Wachstumsmotor der Stadt und Region. Bis 1961 verdreifachte Kaufbeuren so durch die 17.000 Vertriebenen seine Einwohnerzahl.
Lange blieb Neu-Gablonz eine Sprachinsel des im sudetendeutschen Gablonz gesprochenen „Paurischen“ und bis in die heutige Zeit sind dort Traditionen aus dem böhmischen Kulturkreis lebendig.
Welche Folgen hätte eine Ansiedlung der Gablonzer an einem anderen Standort gehabt?
27. 1948: Der „erste politische“ Aschermittwoch
Bereits 1919 hatte der Bayerische Bauernbund den traditionellen Viehmarkt in Vilshofen zu einer Volksversammlung geladen, um bei den Bauern in Niederbayern für seine politischen Ziele zu werben.
Dies begründete jedoch keine langfristige Tradition. Erst 1927 kam es zu einer neuen Kundgebung des Christlichen Bauernvereins, der im Kernland des Bayerischen Bauernbundes dessen Einfluss zurückdrängen wollte.
Erst 1932 gab es nach mehrjähriger Pause erstmals mehr als eine Veranstaltung am Aschermittwoch in Vilshofen (siehe Bild): Neben dem Christlichen Bauernverein hielt die Bayerische Volkspartei eine Kundgebung ab. 1933 kam es bereits zu Veranstaltungen des Bauern- und Mittelstandsbunds sowie der Kommunisten und der NSDAP.

Diese Entwicklung endete jedoch sofort mit der Gleichschaltung der Nationalsozialisten. Diese propagierten zwar dort bis 1937 eigene Veranstaltungen über die Wochenschau im ganzen Reich, danach fanden aber bis 1945 keine Kundgebungen mehr statt.
Erst 1946 lud der Bayerische Bauernverband zu einer „unpolitischen“ Veranstaltung am Aschermittwoch ein, um die Erlaubnis der alliierten Besatzungsbehörden für politische Kundgebungen zu umgehen. 1947 fand aber wiederum keine Kundgebung statt.
Die Initialzündung legte schließlich das Jahr 1948. Erstmals hielten Bayernpartei, CSU und SPD Großkundgebungen für die Bauern ab. Besondere Emotionalität brachte der Auftritt von Josef Baumgartner für die Bayernpartei ein, da er kurz zuvor aus der Landesregierung und der CSU ausgetreten war.
Dies legte den Grundstein für erbitterte politische Schlagabtausche zwischen beiden Parteien in den 1950er und Anfang der 1960er Jahre, für die besonders die Rededuelle zwischen Josef Baumgartner und dem CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß standen.
Damit begründete sich endgültig die bis heute bundesweit bekannte Tradition des politischen Aschermittwochs.
Was wäre gewesen, wenn sich nach 1948 keine Tradition des politischen Aschermittwochs etabliert hätte?
28. 1989: Die kontroverse Aufgabe der WAA
Als sich 1985 die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen für Wackersdorf bei Schwandorf als Standort der bundesdeutschen atomaren Wiederaufbereitungsanlage (kurz WAA, im Bild der Komplex im französischen La Hague) entschied, galt die Atomkraft als Zukunftstechnologie.

Daher sah eine Mehrzahl der lokalen und bayerischen Politiker zuerst die Vorteile von hochqualifizierten Arbeitsplätzen in der strukturschwachen Oberpfalz.
Doch die Stimmung in der Bevölkerung hatte sich bereits gedreht.
Erste Initiativen gründeten sich und bauten den Widerstand mithilfe der Menschen in der Region auf. Vor allem der Landrat von Schwandorf, Hans Schuierer, entwickelte sich zur Symbolfigur des immer stärkeren Widerstands.
Höhepunkt war 1986 das „Anti-WAAhnsinns-Festival“ in Burglengenfeld mit deutschlandweit bekannten Musikern wie Herbert Grönemeyer und circa 100.000 Besuchern.
Heute erinnert ein Gedenkstein am Naabufer von Burglengenfeld an den Widerstand und das Festival, aber auch an die damals gespaltene Gesellschaft.

Obwohl die Polizei, teilweise mit Gewalt, diese Proteste im Zaum hielt, sank der wirtschaftliche und politische Rückhalt für das Projekt im Laufe der 1980er.
Als 1988 mit dem Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß der einflussreichste Befürworter starb, beendeten seine Nachfolger das bundesweit bekannte Projekt ein Jahr später.
Wie hätte sich eine tatsächlich gebaute Wiederaufbereitungsanlage in der Oberpfalz und in Bayern ausgewirkt?
29. 1992: Die umkämpfte Fachhochschule Deggendorf
Als die bayerische Regierung Anfang der 1990er Jahre die Gründung von neuen Fachhochschulen in Aussicht stellte, löste dies in ganz Bayern einen harten Wettbewerb um die zukünftigen Standorte aus.
Vor allem zwischen Straubing und Deggendorf (siehe Bild) kam es zu einem langen Ringen um die Fachhochschule in Niederbayern.

Während Straubing (siehe Bild) auf seine alte und neue Zentrumsfunktion in Niederbayern setze, argumentierte Deggendorf vor allem mit seiner günstigen Lage im Einzugsbereich des Bayerischen Waldes.

Am Ende setzte sich Deggendorf durch und wurde 1994 Standort der heutigen „Technischen Hochschule“. Diese brachte mit ihren inzwischen mehreren tausend Studierenden und acht Fakultäten, vor allem aber durch ihre über ganz Ostbayern verteilten Forschungscampi entscheidende Impulse in die Stadt und Region an der Grenze zum und im Bayerischen Wald.
Erst 2000 zog Straubing durch die Gründung des „Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe“ nach und wurde ebenfalls Hochschulstandort.
Auch in anderen Regionen war der Fachhochschulstandort hart umkämpft: In der Oberpfalz hatten sich sowohl Amberg als auch Weiden beworben und nach harten Diskussionen kam es zur Kompromisslösung eines Doppelstandortes in Form der heutigen Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden.
Was wäre gewesen, wenn Straubing statt Deggendorf 1992 die Fachhochschule bekommen hätte?
Quellen und Literatur
- Tobias Appl, Alfred Wolfsteiner (Hrsg.): Auf alten Wegen durch die Oberpfalz. Zur Geschichte der Mobilität und Kommunikation in der Mitte Europas. (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Oberpfalz 3). Regensburg 2022.
- Martina Bauernfeind, Horst-Dieter Beyerstedt, Michael Diefenbacher: Nürnberg. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2017.
- Lutz-Dieter Behrendt: Deggendorf. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2017.
- Karin Dengler-Schreiber: Kleine Bamberger Stadtgeschichte. Regensburg 2013.
- Günter Dippold: Kleine Geschichte Oberfrankens. Regensburg 2020.
- Matthias Freitag: Regensburg. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2016.
- Stefan Fischer: Kleine Geschichte des Allgäus. Regensburg 2024.
- Axel Hermann: Kleine Hofer Stadtgeschichte. Regensburg 2012.
- Reinhard Heydenreuter: Kleine Münchner Stadtgeschichte. Regensburg 2012.
- Thomas Horling, Uwe Müller, Erich Schneider: Schweinfurt. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2014.
- Gerald Huber: Kleine Geschichte Niederbayerns. Regensburg 2015.
- Gerhard Immler: Königskrise (1885/86), in: historisches-lexikon-bayerns.de (19.10.2021).
- Marcus Junkelmann: Das greulichste Spectaculum. Die Schlacht von Höchstädt 1704 (Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur, Band 30). Augsburg 2004.
- Lars-Broder Keil, Sven Felix Kellerhoff: Bayerns Ministerpräsident war für die Rechte eine Unperson. Attentat auf Kurt Eisner, auf: welt.de (14.06.2021).
- Rolf Kießling: Kleine Geschichte Schwabens. Regensburg 2021.
- Dorit-Maria Krenn: Straubing. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2019.
- Johannes Laschinger: Amberg. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2015.
- Bernd Mayer: Kleine Bayreuther Stadtgeschichte. Regensburg 2010.
- Franz Metzger: Kleine Geschichte Mittelfrankens. Regensburg 2020.
- Karl Borromäus Murr: Schlacht von Mühldorf. 1322, in: historisches-lexikon-bayerns.de (18.10.2010).
- Rainer Ostermann: Kriegsende in der Oberpfalz. Ein historisches Tagebuch. Regensburg 2015.
- Marita A. Panzer: Ermordung der Agnes Bernauer, auf: historisches-lexikon-bayerns.de (08.03.2010).
- Wolf-Henning Petershagen: Ulm & Neu-Ulm. Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2019.
- Ernst Piper: Allein gegen Hitler. Elser-Attentat, auf: spiegel.de (06.11.2009).
- Tim Pröse: Es fehlten nur dreizehn Minuten. Hitler-Attentäter Georg Elser, auf: spiegel.de (07.04.2017).
- Erich Schneider: Kleine Geschichte Unterfrankens. Regensburg 2020.
- Anna Schiener: Kleine Geschichte der Oberpfalz. Regensburg 2016.
- Berthold Seewald: Der Kini entlarvte den Putsch, bevor er starb. Brief Ludwigs II., auf: welt.de (26.08.2016).
- Berthold Seewald: Die Süchte trieben Ludwig II. in den Tod. Deutsche Royals, auf: welt.de (13.05.2011).
- Wilfried Sponsel: Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Jahre des Neubeginns in Nördlingen (1945-1950). Neustadt an der Aisch 2020.
- Florian Stark: Warum Ludwig II. seinen Psychiater in den Tod zog. Märchenkönig, auf: welt.de (16.05.2014).
- Michael W. Weithmann: Kleine Geschichte Oberbayerns. Regensburg 2016.
- Florian Felix Weyh: Wie die sudetendeutsche Schmuckindustrie nach Bayern kam. Kaufbeuren-Neugablonz, auf: deutschlandfunkkultur.de (03.02.2019).
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